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Pressemitteilung vom 12.07.2024
Region
Lost place und Natur aus zweiter Hand: Die Heinrichshütte in Pracht
Auf dem ehemaligen Gelände der Heinrichshütte in Pracht ist heute nicht mehr zu erkennen, dass hier einmal kaum ein Strauch stand, sondern Fabrikgebäude und offene Halden das Bild bestimmten. Die historische Entwicklung erläuterte Christiane Hassel, Eigentümerin und engagiertes Mitglied der Naturschutzinitiative (NI) den fast 40 interessierten Bürgern.
Bruchwald auf dem ehemaligen Gelände der Heinrichshüte in Pracht. (Fotos: Harry Neumann/Naturschutzinitiative (NI))Pracht. Vormals gab es hier einen Verhüttungsbetrieb für Eisenerz, wo das Material aus den umgebenden Bergbaubetrieben verarbeitet wurde. Die Anfänge des Verhüttungsbetriebes sind bis ins 15. Jahrhundert zurück verfolgbar. Zuerst war die Erzgewinnung ein Privileg des Adels, bis später vermögende Industrielle die Produktion bis ins Jahr 1927 übernahmen. Danach wurde die Verhüttung aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. Wie Frau Hassel erläuterte, übernahm dann ihr Großvater das Gelände, um einen Baustoffhandel zu gründen. Denn einen großen Teil der Schlacken konnte damals schon wieder unter anderem zum Wegebau verkauft werden. Von den vielen Gebäuden und Anlagen aus der Verhüttungszeit ist kaum mehr etwas vorhanden. Stattdessen übernahm zunehmend die Natur das Regime.

Vielfältige Natur auf ehemaliger kahler Fläche
Diplom-Biologe Immo Vollmer, Naturschutzreferent der NI, erläuterte auf der mit den Geschwistern Christiane und Günter Hassel geleiteten Exkursion die naturkundlichen Aspekte.

Von sehr blütenreichen nur schütter bewachsenen Flächen, wo auch viele Flechten den Boden bedecken, ist eine Vegetationsentwicklung über Staudenfluren hin zu Wäldern zu beobachten. Besonders interessant sind auch Still- und Fließgewässer, die ebenfalls sehr unterschiedlich ausgebildet sind. Wo der älteste Hüttenweiher nun schon Bruchwald trägt, dominiert auf einem mittleren Gewässer die Gelbe Teichrose, während die unteren Teiche noch relativ strukturarm waren. Vom Bach und Teich lebende Libellen, Vögel wie Gebirgsstelze und Wasseramsel leben hier genauso wie die Zauneidechse, die offen-trockene Bereiche besiedelt. Auch der Waldlaubsänger ist in diesem Wald zuhause. Bei kleineren Haufen von Holzstücken, Steinen oder Gras wurde schnell klar, dass dieses angelegte Habitatstrukturen sind, wo sich zum Beispiel Reptilien verstecken können oder die Ringelnatter im Grashaufen ihre Eier ablegen kann.

Renaturierungsprojekte sichern die Biodiversität
"Die Geschwister Hassel leisten auf ihrem rund zehn Hektar großen Gelände einen wichtigen und zukunftsgerichteten Beitrag zum Erhalt der Biodiversität", betonte Biologe Immo Vollmer. Denn für den Erhalt der Artenvielfalt brauche es eine möglichst große Kulisse naturnaher Flächen. "Die gehen aber aufgrund des fast ungebremsten Flächenverbrauchs im rasenden Tempo zurück. Die sehr flächenintensiven Vorhaben zur Gewinnung alternativer Energien verschärfen das Problem, da vormals naturnahe Landschaften technisch verfremdet und Lebensräume entwertet werden", so Immo Vollmer.

Umso mehr Hoffnung gebe es, wenn sich aus Flächen, die einmal völlig naturfern waren, wieder eine vielseitige Natur entwickeln könne. Dies könne allerdings nicht bedeuten, dass der Verlust an Natur ausgleichbar sei, so der Biologe. "In verloren gehenden seltenen Biotopen auf besonderen Standorten leben zudem Tiere und Pflanzen, die oft nur selten ein anderes Habitat finden und damit meist verschwinden", so Immo Vollmer.

Wiederherstellung von Natur
Auch die EU habe erkannt, dass der Erhalt der Biodiversität auf die Wiederherstellung von Natur angewiesen sei. Aus dieser Erkenntnis heraus sei das "EU Restoration Law" vor kurzem beschlossen worden, wonach 20 Prozent der Fläche eines Landes zu renaturieren sei. "Ohne solche positiven Beispiele aus privater Initiative wie hier, werden die Erfolge aber ‚überschaubar‘ bleiben", so Immo Vollmer.

Gabriele Neumann, stellvertretende Vorsitzende der NI, bedankte sich für das vorbildliche Engagement der Geschwister Hassel im Natur- und Biodiversitätsschutz, den zahlreichen Teilnehmern und Bürgermeister Matthias Ebach für ihre Teilnahme an der dreistündigen Exkursion und Immo Vollmer für die lehrreichen Ausführungen. Mit einem kleinen Imbiss, Getränken und guten Gesprächen klang die außergewöhnliche Veranstaltung der Naturschutzinitiative (NI) an diesem "Lost Place" aus.

Mehr Infos
Das besuchte ehemalige Hüttengelände ist Privateigentum. Die Geschwister Hassel weisen darauf hin, dass der Zutritt nur mit Zustimmung der Eigentümer zulässig ist.
www.naturschutz-initiative.de. (PM)
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