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Nachricht vom 16.07.2024 |
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Region |
IHK-Sommerinterview: Gnadenlose Abrechnung mit der deutschen Bürokratie |
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Diese Themen verlieren nichts von ihrer Aktualität, obwohl sie schon extrem ausgiebig erörtert worden sind. Die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur im AK-Land, das Problem eines verkaufsoffenen Adventssonntags im Dezember und der Bürokratieabbau bestimmten das Sommerinterview mit Mitgliedern des IHK-Beirates für den Kreis Altenkirchen. |
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Altenkirchen. Der Sommer ist die Zeit für zeitlich intensive Interviews. Die großen TV-Anstalten nutzen die „heiße“ Jahreszeit, um allen möglichen Politgrößen auf den Zahn zu fühlen. Nicht Olaf Scholz, Markus Söder oder Friedrich Merz standen in der IHK-Regionalgeschäftsstelle Altenkirchen am Dienstagnachmittag (16. Juli) Rede und Antwort, sondern Mitglieder des IHK-Regionalbeirates sprachen Themen an, die Unternehmern unter den Nägeln brennen – und das schon seit Jahren, ohne dass sich großartig irgendetwas in irgendeine Richtung bewegt. Dauerbrenner in der Diskussion sind und bleiben die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur im Landkreis Altenkirchen, die nicht vorhandene Möglichkeit für den (Einzel)Handel in Rheinland-Pfalz, an einem Adventssonntag im Dezember für fünf Stunden die Geschäfte zu öffnen und der Bürokratieabbau. Seit über eine Dekade schon setzt sich die Kampagne „Anschluss Zukunft“ für bessere straßengebundene Verbindungen in die Ballungszentren und an die überregionalen Verkehrsadern ein. „Die IHK Koblenz und die Initiative fordern, weiterhin an den Maßnahmen entlang der B 8 sowie B 414/B 62, die im Bundesverkehrswegeplan 2030 im vordringlichen Bedarf eingestuft sind, festzuhalten“, machte Beiratsmitglied Christoph Böhmer (Geschäftsführer Böhmer Maschinenbau GmbH/Steinebach) unmissverständlich deutlich.
Rückendeckung aus Mainz
Rückendeckung hatten die Verantwortlichen vor Ort, darauf wies Altenkirchens IHK-Regionalgeschäftsführerin Kristina Kutting hin, vor wenigen Monaten von Andy Becht, einem Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau erhalten, der in Wissen erklärt hatte, dass an den geplanten Projekten nicht gerüttelt werde. Böhmer hob auf die Wichtigkeit überarbeiteter Straßenverläufe ab. Ein leistungsfähigeres Verkehrssystem senke Transportkosten, verkürze Lieferzeiten und verbessere die Erreichbarkeit, was Unternehmen effizienter arbeiten und sich besser am Markt positionieren lasse. Darüber hinaus würden neue Arbeitsplätze geschaffen und die lokale Wertschöpfung gestärkt. „Wir liefern in die ganze Welt, und im Westerwald ist es umso mehr nötiger, eine vernünftige Verkehrsanbindung zu haben“, erläuterte Böhmer, „wir haben bereits einen Investitionsstau und müssen darauf achten, dass er nicht noch größer wird.“ Das Thema „Ortsumgehungen“ sei nie ein Punkt gewesen, den die Initiative gefordert habe, kam Andreas Winters (Geschäftsführer rewi-Druckhaus/Wissen) und derzeit Vorsitzender des IHK-Regionalbeirates auf einen Aspekt zu sprechen, der wohl auch dazu geführt hatte, dass sich die „Bürgerinitiative (BI) gegen Ortsumgehungen B 8“ gegründet hat. Die Überlegungen des Baus von Ortsumgehungen seien beim Landesbetrieb Mobilität entstanden. „Wir waren an dieser Stelle sehr offen, wir haben nie eine Ortsumgehung gefordert. Wir sind sicherlich nicht dagegen, wir sind sicherlich auch nicht diejenigen, die sagen, es müssen Ortsumgehungen sein. Wenn man schneller zwischen den Orten mit drei- oder vierstreifigem Ausbau vorankommt und zum Beispiel eine Kurve bei Hasselbach entschärft ist das der Sache sicherlich dienlich. Wir sind nicht die Verfechter der Ortsumgehungen.“
Konsenspotenzial vorhanden
Mit Blickrichtung BI sah Winters durchaus Konsenspotenzial, zumal bereits ein Gespräch mit BI-Vertretern stattgefunden habe. Die BI sei überrascht gewesen, „wie kooperativ wir sein können, als es um das Thema Knoten B 414 und Einmündung der Hochstraße in Altenkirchen gegangen ist“. Was nützten aber alle Maßnahmen, wenn das Nadelöhr in Hennef-Uckerath bestehen bleibe? „Wenn wir die Region hier oben attraktiv halten wollen, müssen wir Mittel und Wege finden, die Anbindungen an die Hochschulstädte Koblenz, Hennef, St. Augustin, Köln und Siegen zu verbessern“, forderte Moritz Schumacher (Geschäftsführer Group Schumacher GmbH & Co. KG/Eichelhardt) mit einem Blick durch die „Jugendbrille“. „Wenn man hier etwas für die nächste Generation machen, sie hier in der Region halten möchte, wird man nicht umhin kommen, die Straßen ein bisschen auszubauen. Das ist das erste und allereinfachste“, sagte Schumacher.
Die Crux mit den Sonntagen im Dezember
Nach wie vor ist es – im Gegensatz zum Beispiel zu Nordrhein-Westfalen – in Rheinland-Pfalz nicht erlaubt, an einem Adventssonntag im Dezember die Geschäfte für fünf Stunden zu öffnen. „Uns trifft es hier besonders hart, weil wir fast an der Landesgrenze sind“, stellte Volker Hammer (Geschäftsführer Wäller Sport/Altenkirchen) nicht zum ersten Mal ernüchtert fest. Grundsätzlich seien vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr möglich und das immer anlassbezogen, „wir wollen wirklich nicht mehr dieser Sonntage haben.“ Solch ein Sonntag in der Adventszeit sei ein guter Sonntag, berichtete Hammer mit dem Wissen um Umsatzzahlen. Dem Einzelhandel gehe es nicht gut, Stichwort sei das Sterben der Innenstädte, „man kann das nicht aufhalten, aber man es verlangsamen. Ich weiß nicht, was da so schwierig ist. Sie kostet, so glaube ich, nicht viel, eine solche Gesetzesänderung. Wir haben riesigen Kaufkraftabfluss, wenn in Bonn, Siegen oder Troisdorf verkaufsoffene Sonntage sind“. Winters verstand die Logik nicht: „Was ist der Sinn dahinter, wenn der erste Adventssonntag im November oder im Dezember ist?“ Die Politik schiebe es gerne auf die Kirchen und die Gewerkschaft ver.di. Hammer wusste: „Es gibt Leute, die wollen gerne sonntags arbeiten, weil sie dann mehr verdienen.“ Auch Schumacher meinte lapidar: „Das ist nicht nachvollziehbar“. Der Einzelhandel hier habe einen absoluten Wettbewerbsnachteil, der Online-Handel rund um die Uhr geöffnet. Er finde es schon einen „absoluten Wahnsinn, dass man dafür schon einen Anlass benötigt. Es wäre zwingend erforderlich, den Einzelhandel viel liberaler zu gestalten. Ich würde es sogar für gut befinden, wenn man zwei offene Sonntage im Monat hätte. Es muss ja nicht jeder mitmachen“. Es sei so maßlos schwierig, „weil man es nicht verstehen kann“, schloss Hammer an, „selbst die Bundestagsabgeordneten, die wir in einem Gespräch um Klärung gebeten hatten, sagten, sie wüssten nicht, was da womöglich gemauschelt wird“.
Die liebe Bürokratie
„Wir werden die Bürokratie in Deutschland nicht abbauen, solange wir nicht ein Ministerium für Bürokratieabbau haben.“ Zwar meinte Winters den Satz ein wenig „ketzerisch“, traf jedoch wohl den Nagel auf den Kopf. Er berichtete von Auflagen und Vorschriften, die er in seinem Betrieb zu erfüllen, von ellenlangen Vordrucken, die er auszufüllen, wann und wie er Referenzen vorzulegen habe und und und. Pro Monat, so gab er an, beschäftige er sich zwischen 60 und 70 Prozent seiner Arbeitszeit mit Bürokratie. Schumacher gab nicht nur seine gesammelten und meistens negativen Erfahrungen aus und mit dem „Papierkrieg“ wieder („eine Vollkatastrophe, was wir in diesem Land tun, wir verwalten uns dumm und dämlich“), sondern legte auch beredtes Zeugnis über die Klippen ab, die es bei einem Neubau einer Industriehalle am Stammsitz des Unternehmens in Eichelhardt zu umschiffen galt und immer noch gilt. Sein vorweggenommenes Fazit: „Ich kann jedem nur wärmestens davon abraten, in diesem Land überhaupt irgendein industrielles Gebäude zu bauen.“ Das sei nicht gewünscht, er habe mittlerweile das Gefühl, „das geht im Ausland deutlich einfacher. Hätte ich gewusst, welche Knüppel uns zwischen die Beine geworfen werden, hätte ich das niemals gemacht. Das wird das letzte gewesen sein, was wir in diesem Land bauen. Erweiterungen und Vergrößerungen werden wir nicht mehr hier tun“. Zum Glück gebe es Erweiterungsmöglichkeiten in den Ländern, in denen die Firma bereits vertreten sei.
„Es ist ein Graus“
Die Anforderungen der Politik, die Anforderungen von Behörden, „die wir alle zu erfüllen haben, das kann man sich gar nicht vorstellen. Es ist ein Graus“. Schumacher erwähnte beispielsweise den zunächst nicht vorhandenen Bebauungsplan für dieses Areal, die Dauer der Erteilung der Baugenehmigung, die ins Auge gefasste Installation eines kleinen Windrades auf dem Hallendach zur Energiegewinnung und die einer Fotovoltaikanlage, aus der kein Strom ins das zu schwache örtliche Netz eingespeist werden könne und vieles, vieles mehr. „In der Ausprägung und in der Tiefe, wie das abverlangt wird, folgt eine Konsequenz: Wir sind nicht mehr wettbewerbsfähig, weil ich die Kosten auf alle unsere Produkte umlegen muss. Unsere Produkte sind faktisch nicht mehr wettbewerbsfähig.“ (vh) |
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Nachricht vom 16.07.2024 |
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