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Nachricht vom 18.07.2024
Region
Nach Aus für DRK-Klinik in Altenkirchen: Ruf nach Trägerwechsel wird immer lauter
Die Art und Weise, wie das Aus für das DRK-Krankenhaus Altenkirchen urplötzlich Gewissheit geworden ist, grenzt schon beinahe an die Gangart, die Gutsherren ohne Rücksicht auf Verluste bevorzugten. Die kritischen Stimmen in Richtung DRK-Trägergesellschaft Süd-West als Initiator des Knock-Outs sind laut und im Inhalt teils radikal.
Das DRK-Krankenhaus in Altenkirchen hat womöglich in vielerlei Richtungen bald ausgedient. (Foto: vh)Altenkirchen. Würde sich die DRK-Trägergesellschaft Süd-West einmal ihres eigenen Leitbildes vergewissern, wäre das Aus für „ihr“ Krankenhaus in Altenkirchen womöglich anders zustande gekommen, der ganze Prozess der Umstrukturierung als Folge der Insolvenz der DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz als Träger des Hauses (und vier weiterer) mit mehr Rücksicht auf Menschen abgelaufen und um Längen besser kommuniziert worden. Auf der eigenen Homepage heißt es in Sachen Anspruch: „Wir leiten unser Selbstverständnis aus den Grundsätzen der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung ab: Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität, Unabhängigkeit, Freiwilligkeit, Einheit und Universalität. Der Grundsatz der Menschlichkeit hat dabei eine besondere Bedeutung für uns. Er ist es, der uns die Richtung weist bei der Beziehung zu den Patienten, bei der Zusammenarbeit mit anderen und beim Umgang miteinander.“ In pucto Umgang miteinander steht geschrieben: „Alle Beschäftigten achten und wertschätzen sich gegenseitig. Wir betonen die partnerschaftliche Zusammenarbeit aller Berufsgruppen und Abteilungen. Dabei fördern wir selbstständiges und eigenverantwortliches Denken und Handeln. Leistung wird anerkannt und gewürdigt. Gegenseitige Information, Kommunikation und konstruktive Kritik schaffen Offenheit, Vertrauen und ein gesundes Arbeitsklima.“ Um all diese Parameter zu erfüllen, wird bekanntermaßen vom 15. August an vielfach die Grundlage fehlen. Fortbestehen sollen die Kinder- und Jugendpsychiatrie, zudem soll ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), wie immer es aufgestellt sein wird, am Markt etabliert werden. MdL Matthias Reuber (CDU) attackierte in seiner Bewertung des Geschehenen die DRK-Oberen hart: „Die Ankündigung der DRK-Trägergesellschaft ist ein Schlag ins Gesicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Altenkirchen und Kirchen, aber auch der Bürgerinnen und Bürger im ganzen Landkreis. Über Monate gab es seitens des Trägers keinen ehrlichen Umgang mit der Bevölkerung. Nun wurden Entscheidungen getroffen, die vermutlich seit Beginn des Prozesses das eigentliche Ziel waren.“ Ein vor wenigen Monaten noch als Modellprojekt angekündigtes Konzept werde nach nur wenigen Monaten für gescheitert erklärt. Er erwarte nun vom Land, dass dieses unter den neuen Rahmenbedingungen kurzfristig prüfe, ob die medizinische Versorgung im Landkreis weiterhin sichergestellt sei und „dies an konkreten Kennzahlen transparent belegt. Auch erwarte ich, dass nachvollziehbar dargestellt wird, wie die Sicherstellung der medizinischen Versorgung der Menschen im Kreis Altenkirchen bis zu einer Eröffnung eines Westerwaldklinikums gewährleistet ist“.

Jedes Vertrauen verspielt
Die DRK-Trägergesellschaft habe mit ihrem Verhalten in den letzten Wochen jedes Vertrauen verspielt. „Ein Trägerwechsel ist aus meiner Sicht daher alternativlos. Zum einen, da ich nur so die Möglichkeit sehe, dass sich die Situation kurzfristig doch noch bessern kann und zum anderen, da ich der DRK-Trägergesellschaft die Realisierung eines Westerwaldklinikums nicht mehr zutraue“, wurde Reuber sehr deutlich. Vom Land erhoffe er sich, dass nun endlich alle Karten auf den Tisch gelegt würden und die Landeskrankenhausplanung für den Westerwald transparent, aktiv und ehrlich angegangen werde. „Die aktuelle Situation in Altenkirchen sollte man nutzen, um das Krankenhaus zu einem Westerwaldklinikum der Regelversorgung auszubauen. Anders als vom aktuellen Träger behauptet, bin ich davon überzeugt, dass eine Erweiterung des Standortes Altenkirchen der richtige Weg sein kann“, fügte Reuber an. Baulich handele es sich bei Altenkirchen aufgrund der Sanierungen in den letzten Jahren um das beste bestehende Haus in der Region, und auch die Verkehrsanbindung sei für ein Westerwaldklinikum der geplanten Größe sehr gut. „Ich bin mir sicher, dass eine entsprechende Prüfung von Experten zu einem ähnlichen Ergebnis kommen wird und auch wirtschaftliche Gründe für die Erweiterung eines bestehenden Standortes als Alternative zu einem Neubau sprechen“, ergänzte Reuber.

Hoch: Ich habe kein Verständnis
Der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) zeigte sich ein wenig auf dem falschen Fuß erwischt: „Ich habe für diese Trägerentscheidung - vor allem zu diesem Zeitpunkt und in dieser Form - kein Verständnis. Sie ist eine große Enttäuschung für die Region, aber auch für unsere Bemühungen, die medizinische Versorgung vor Ort mit neuen Konzepten zu beleben. Hier wird gerade leider viel Vertrauen verspielt, denn mein Ministerium hatte einen anderen Vorschlag erarbeitet, der zu einer Stärkung von Altenkirchen geführt hätte. Diesen wollten die handelnden Personen im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht befolgen.“ Er bedauere das sehr und erwarte vom Träger, dass er jetzt sehr schnell und konkret die Planungen für ein Westerwaldklinikum vorantreibe. Auch ohne den Standort Altenkirchen sei die medizinische Versorgung zwar gesichert, die Menschen in der Region hätten aber zu recht Fragen an den Träger, wie und in welchem Zeithorizont Neubaupläne auch verfolgt würden: „Und sie haben sehr zeitnahe Antworten des DRK verdient.“

Hoffnung: Rückzug des DRK in Gänze
„Durch diesen Schritt, der aus der Sicht des Standortes Altenkirchen eine weitere Schwächung darstellt, hat die DRK-Trägergesellschaft Süd-West bei mir das Restvertrauen vollends verspielt. Daher habe ich an diesen Träger per heute auch keinerlei Erwartungshaltung mehr. Meine Hoffnung ist es hingegen, dass sich das DRK in Gänze aus dem stationären Bereich im Westerwald, also Altenkirchen, Kirchen und Hachenburg, zurückzieht, um den Weg für eine grundlegende Neuordnung des Krankenhauswesens in unserer Heimat frei zu machen“, reihte sich der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld, Fred Jüngerich, in die Reihe der Kritiker sein, „diese deutlichen Worte wähle ich, weil die noch kürzlich vom Aufsichtsratsvorsitzenden gemachten Versprechungen zu ,Level 1 i Plus’, ,Notanlaufstelle 24/7‘ sowie ,Kurzzeitbetten’ abermals, wie vieles zuvor, im Nirgendwo verpufft sind.“ Während die Beschäftigten und die Bevölkerung zum wiederholten Male die Leidtragenden seien, gingen die Beraterfirmen trotz Vorlage scheinbar nicht realisierbarer Sanierungskonzepte, die nebenbei fürstlich vergütet wurden, als Gewinner vom Platz. „Der seit Monaten verunsicherten Bevölkerung dafür die Mitschuld zu geben, dass der ,Laden in Altenkirchen nicht läuft’ und zugleich noch den Geschäftsführer der Beraterfirma WMC Healthcare zum Geschäftsführer der DRK-Trägergesellschaft Süd-West zu belobigen, ist zu erstem unverschämt und zu zweitem äußerst fragwürdig. Im Sport wird in vergleichbaren Situationen nicht die Mannschaft entlassen, sondern der Trainer“, ereiferte sich Jüngerich.

Status als Mittelzentrum gefährdet?
Ob die Versorgungssicherheit in den Verbandsgemeinden Altenkirchen-Flammersfeld sowie Hamm und Wissen durch diese weitere Reduktion am Standort Altenkirchen weiterhin gegeben sei, könne er nicht beurteilen. Diese Frage werde das Gesundheitsministerium zuständigkeitshalber beantworten. Fest stehe allerdings, dass die Entfernungen für die Menschen nunmehr noch größer werden. Jüngerich fuhr fort: „Ein Westerwaldklinikum wird innerhalb der nächsten zehn Jahre wohl kaum zu verwirklichen sein. Dazu bedürfte es meines Erachtens eines wie auch immer gearteten verlässlichen Zusammenspiels privater und öffentlicher Partner, Public Private Partnership. Bedenken sollte man bei der künftigen Standortwahl - ich gehe davon aus, dass Müschenbach aus dem Rennen ist -, dass die Kreisstadt Altenkirchen als nach dem Regionalen Raumordnungsplan eingestuftes Mittelzentrum bei dauerhaftem Wegfall des Krankenhauses diesen Status gefährdet.“

Unverantwortlich und respektlos
„Als unverantwortlichen und respektlosen Umgang mit der Bevölkerung, besonders aber auch mit den Mitarbeitenden“, beurteilte die bündnisgrüne Fraktion im Altenkirchener Kreistag das aktuelle Vorgehen der DRK-Trägergesellschaft Süd-West. „Die aktuellen Entscheidungen der DRK-Trägergesellschaft Süd-West mit der Schließung des Krankenhauses in Altenkirchen und dessen Umwandlung zu einem MVZ sowie der Schließung der Neurologie im Kirchener Krankenhaus sind völlig zu Recht als Super-Gau zu bezeichnen“, äußerte sich die Fraktionsvorsitzende Anna Neuhof. Völlig unverständlich sei es, warum das DRK dem eigenen Sanierungskonzept weder Zeit noch Chance gebe, Wirksamkeit zu entfalten und warum auf die Vorschläge des Ministeriums nicht eingegangen worden sei. „Das erneute Vorgehen des DRK hat nichts mit einer offenen und transparenten Kommunikation zu tun. Die Reduzierung auf ein MVZ verstärkt die ohnehin schon angespannte Situation der Rettungsdienste, und der Wegfall der 24-Stunden-Anlaufstelle bringt Menschen in konkrete Gefahr. Vermutliche Managementfehler werden auf dem Rücken der Hilfebedürftigen ausgetragen", bewertete Kreistagsmitglied Kevin Lenz. Für die Fraktion sei damit das Vertrauen in die Trägergesellschaft nicht nur nachhaltig beschädigt, sondern durch das neue Vorgehen vollends verspielt worden. „So muss grundsätzlich in Frage gestellt werden, ob das DRK überhaupt in der Lage ist, die Krankenhausversorgung in unserer Region noch zu gewährleisten und ob diese nicht bei einem neuen Träger besser aufgehoben wäre. Dies endgültig zu klären und auch andere Träger mit einzubeziehen fordern wir sowohl vom Landkreis als auch vom Gesundheitsministerium“, merkte Neuhof weiter an.

Alle möglichen Wege ausschöpfen
„Wirtschaftliche Interessen mit mehr als fragwürdigen Entscheidungen werden hier offenbar höher bewertet als die Sicherstellung der medizinischen Versorgung und damit der Gesundheit der Menschen. Wir erwarten hier, dass auch seitens des Ministeriums und des Gesundheitsministers Hoch alle möglichen Wege ausgeschöpft werden, um eine nachhaltige Verbesserung in unserer Region zu schaffen“, stellte Maria Weller als Kreistagsmitglied fest. Von der Landesregierung und von Gesundheitsminister Hoch erwarten die Bündnisgrünen nun schnellstmöglich belastbare Aussagen zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung im gesamten Kreis. Unter anderem solle Mainz auf diese Fragen antworten: Warum ist das Pilotprojekt mit einem Level-1-Krankenhauses in Altenkirchen nicht realisiert worden bzw. kann dies auch jetzt bei den geänderten Bedingungen noch gestartet werden? Wie sieht ein zukünftiges Konzept für die Notfallversorgung im Landkreis Altenkirchen aus, die nach neuen Veröffentlichungen des Südwestrundfunks schon jetzt zum großen Teil unzureichend ist? Zieht das Land einen Trägerwechsel oder Kooperationen in Betracht und werden bereits aktiv Anstrengungen unternommen? (vh)
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