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Nachricht vom 26.11.2024 |
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Region |
Steuerreform: Bürgermeister sehen höhere Belastungen für Privatgrundbesitzer |
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So gerne denken Bürgermeister von Städten und Gemeinden auch im AK-Land ans Frühjahr 2018 inzwischen nicht mehr zurück: Das Bundesverfassungsgericht hatte das Berechnungsmodell für die Grundsteuern für nichtig erklärt. Die große Sorge kreisweit: Das vom 1. Januar 2025 an geltende neue Verfahren kann zu deutlichen Mindereinnahmen in kommunalen Kassen führen |
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Kreis Altenkirchen. Langsam, aber sicher kommen auch Bürgermeister von Städten und Gemeinden im Kreis Altenkirchen ins Schwitzen. Das Jahr 2024 neigt sich dem Ende entgegen, die kommunalen Haushalte müssen aufgestellt, beraten und verabschiedet werden – ausgeglichen, wie die Vorgabe lautet. „Woher nehmen, wenn nicht stehlen?“ Mit dieser Frage beschäftigen sich viele Oberen der lokalen Ebene seit Wochen. Denn die Grundsteuerreform, die zum 1. Januar 2025 greift und vom Bundesverfassungsgericht im April 2018 per Urteil gefordert wurde, macht es möglich. Zwischen Willroth und Niederschelderhütte deuten sich bei den Finanzen vieler Gemeinden (noch) erhebliche Einnahmeverluste wegen Besserstellung betrieblich genutzter Flächen an. Deswegen ist wohl nur ein Schritt aus der Misere angezeigt: den Hebesatz der Grundsteuer B (und ggf. den der Grundsteuer A) massiv nach oben zu korrigieren und damit noch tiefer in die Taschen der „einfachen“ Bürger zu greifen. Hamms Ortsbürgermeister Thomas Christmann brachte es bei einer auf seiner Initiative beruhenden Zusammenkunft mehrerer Bürgermeister im Wissener Walzwerk auf den Punkt. „Das Verhältnis der Besteuerung zwischen betrieblich und privat genutzten Grundstücken stimmt nicht mehr“, stellte er mit Blick auf das „Loch“ im nächsten Haushalt „seiner“ Ortsgemeinde fest, das sich derzeit mit rund 200.000 Euro darstellt. Andreas Hundhausen, in Personalunion Chef der Verbandsgemeinde (VG) und Stadt Kirchen, ergänzte: „Für 2025 erwarten wird 400.000 Euro weniger“, die ihn aber aufgrund einer hohen Liquidität Kirchens (im Vergleich zu anderen, sehr klammen Kommunen) wohl keine schlaflosen Nächste bereiten. In Wissen könnten sich, so Berno Neuhoff als Bürgermeister von Stadt und VG, die Mindereinnahmen auf rund 600.000 Euro einpendeln. Für die Stadt Herdorf zeichne sich das Fehlen von rund 290.000 Euro ab, stellte Uwe Geisinger als Bürgermeister heraus. Er verwies auf das Bundesmodell der Berechnung, das Rheinland-Pfalz übernommen habe, während andere Bundesländer wie Bayern, Baden-Württemberg oder das Saarland eigene Versionen entwickelt hätten.
Differenzierte Hebesätze?
Noch ist aber nicht aller Tage Abend: Inzwischen überlegt das Land, differenzierte Hebesätze (Trennung betrieblich, gemischte und privat genutzte Areale) zu ermöglichen. Bis dies per Gesetz Gestalt annehmen wird, bleiben die Ortsgemeinden unter Druck, können und wollen teils auch Haushalte nicht verabschieden, weil aufgrund fehlender Hebesatz-Festlegungen und nicht verschickter Bescheide kein Geld eingenommen werden kann, zumal die Forderungen aus dem Jahr 2024 übergangsweise nicht für 2025 geltend gemacht werden dürfen, also mit dem 31. Dezember erlöschen. Christmann fragte rhetorisch in die Runde: „Was ist zu tun?“ Ob die ersten Zahlungsaufforderungen überhaupt zum 15. Februar oder 15. Mai verschickt werden können, scheint fraglich. Fix ist auch, dass bis zum 30. Juni des kommenden Jahres alles in trockenen Tüchern sein muss. Geisinger bat Richtung Landesregierung um „Klarheit“ und hoffte auf eine „schnelle Entscheidung“. Ralf Lindenpütz, Altenkirchens Stadtoberhaupt, erinnerte an den Umstand, dass die Reform eigentlich „aufkommensneutral für die Gemeinde“ hätte ausfallen sollen, sie aber wohl „enorme Verwerfungen“ hervorbringe. Neuhoff betonte, dass er auf keinen Fall eine Vorfinanzierung in Betracht ziehe und bezeichnete die eingeschlagene Richtung als „respektlos gegenüber den Kommunen“. Der Bürger müsse das ausbaden, „wir erhalten einen Verschiebebahnhof zur Unzeit. Das Ganze ist handwerklich schlecht gemacht“. Christoph Schmidt, Referatsleiter Finanzen in der Wissener VG-Verwaltung, machte an einem Beispiel deutlich, wie stark eine zu erwartende Grundsteuer B für einen Betrieb in den Keller sausen könnte: Den alten Messbetrag gab er mit 1295, den neuen mit 320 an. Bei einem Hebesatz von 660 v.H. sei das Unternehmen bislang mit 8548 Euro veranlagt worden, nunmehr wären es nur noch 2117 Euro, das ein Minus von 6431 Euro bei den Einnahmen beschere.
„Stabilste Steuer“ überhaupt
Als „stabilste Steuer“ überhaupt klassifizierte Joachim Brenner, Bürgermeister der VG Betzdorf die „B“ im Vergleich mit der Gewerbesteuer, die immer große Schwankungen aufweise. „Da ist eine riesige Unwucht drin. Die neue Grundsteuer B ist dem Bürger nicht zu verkaufen, der eh schon durch vielfältige Ausgaben belastet ist“, ergänzte er und wusste, dass eine große Verunsicherung in der Bevölkerung entstehe. Das Vertrauen werde verloren gehen. Brenners Amtskollege in Hamm, Dietmar Henrich, bemerkte: „Hier wird deutlich, was Kommunen zu leisten haben. Die Konsequenzen müssen vor Ort ausgetragen werden. Da braucht man ein breites Kreuz.“ Während viele VG in Ratssitzungen oder Ortsbürgermeisterdienstbesprechungen über den neuen Sachverhalt informieren werden, plant die VG Altenkirchen-Flammersfeld sogar drei (nicht öffentliche) Info-Treffen für Mitglieder von Räten, damit diese gewappnet sind für die erwartete Flut von Fragen und Beschwerden vor Ort, denn so formulierte es Johannes Behner, Betzdorfs „erster Mann“: „Das Bürokratiemonster macht auch nicht vor unserer Stadt halt.“ Er stufte den neuen Modus als „ein Stück intransparent und undurchsichtig“ ein. Für ihn stand noch nicht fest, „ob wir überhaupt Hebesätze vorab beschließen“. Mit Blickrichtung Behner urteilte Lindenpütz: „Wir reden über Bürokratieabbau, ein solcher sieht aber anders aus.“ Neuhoff zitierte den Gemeinde- und Städtebund: „Es ist ein Bürokratieaufbau ohne gleichen.“
Was die Grundsteuer ist
Wikipedia erklärt: „Die Grundsteuer (GrSt) ist in Deutschland eine Steuer auf das Eigentum, aber auch auf Erbbaurechte an inländischen Grundstücken und deren Bebauung, die der Eigentümer zu zahlen hat. Auf Mieter kann sie umgelegt werden. Die Grundsteuer ist eine wichtige Einnahmequelle der Gemeinden mit einem bundesweiten Aufkommen von rund 15 Milliarden Euro im Jahr 2023. Gesetzliche Grundlage ist das Grundsteuergesetz (GrStG). Die Verwaltung der Steuer erfolgt in einem dreistufigen Verfahren: Die Finanzämter der Bundesländer stellen als Bemessungsgrundlage den Einheitswert fest sowie den Grundsteuermessbetrag. Auf diesen wenden die Gemeinden einen von ihnen festgelegten Hebesatz an und setzen die Steuer mittels Bescheid fest. Durch Anwendung verschiedener Hebesätze fällt die Grundsteuerbelastung trotz gleicher Einheitswerte in verschiedenen Gemeinden unterschiedlich hoch aus. Durch Urteil vom 10. April 2018 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Verwendung der veralteten Einheitswerte für verfassungswidrig. Die Grundsteuerreform 2019 sieht ein Bundesmodell vor sowie in einigen Bundesländern abweichende Modelle. Auf den Stichtag 1. Januar 2022 wurden bundesweit alle von der Steuerpflicht betroffenen Grundstücke allein für Grundsteuerzwecke neu bewertet. In einem typisierten Verfahren und abhängig von der regionalen Rechtslage ermitteln die Finanzämter die Bemessungsgrundlage neu (in den meisten Bundesländern als Grundsteuerwert bezeichnet). Dieser Wert ersetzt den Einheitswert. Das dreistufige Verwaltungsverfahren als solches wurde beibehalten. Auch das Gesamtaufkommen der Grundsteuer werde sich nach der Reform, jedenfalls nach der Planung, nicht verändern (Aufkommensneutralität). Die neue Grundsteuer wird vom 1. Januar 2025 an erhoben. Bis 31. Dezember 2024 bleibt das bisherige Verfahren gültig. … Die Grundsteuer gehört zu den ältesten direkten Steuern. Sie war bereits in der Antike bekannt.“ Die beiden Grundsteuertypen A und B richten sich an unterschiedliche Empfänger. Die beiden Buchstaben sind hilfreiche Tipps: Sie wurden nicht etwa gewählt, weil sie die beiden ersten Ziffern des Alphabets sind. Das A steht für agrarisch und das B für baulich. Typ A richtet sich an die Land- und Forstwirtschaft. Typ B ist reserviert für jeden Grund und Boden, der bebaut werden kann und nicht landwirtschaftlich genutzt wird. (vh) |
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Nachricht vom 26.11.2024 |
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