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Nachricht vom 06.03.2007 |
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Region |
Bei Asylverfahren human wie möglich |
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Kooperation statt Konfrontation, das Asylverfahren so human wie möglich gestalten, soweit es für eine Vollzugsbehörde möglich ist. Das will der Kreis Altenkirchen praktizieren, unterstrich am Montagabend Landrat Michael Lieber nach einer Sitzung des Kreisausschusses, der sich mit diesem Thema befasst hatte. |
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Kreis Altenkirchen. Der Fall des jungen Türken Nurettin Erdogan hat Wellen geschlagen. Und der des Vietnamesen Dinh Chi Luu ebenfalls. Das Schicksal der Familie Punga aus Selbach ist nicht vergessen. Schicksale, wie Landrat Michael Lieber am Montagabend vor der Presse erklärte, die ihn und die Mitarbeiter, die mit diesen Fällen betraut sind, nicht unberührt lassen. Ebensowenig wie die Anfeindungen, denen die zuständigen Abteilung und damit der Kreis als Vollzugsbehörde von Freundes-und Unterstützerkreisen, aber auch Parteien wie im Falle Erdogan von Seiten der Bündnisgrünen ausgeliefert ist.
Lieber stellte klar: Man will keine Konfrontation, sondern Zusammenarbeit. Deshalb gehe es auch darum aufzuklären, welche Möglichkeiten die Kreisbehörde hat, dass der Ermessensspielraum im Gegensatz zu den Behauptungen bei Abschiebebescheiden gleich Null ist, bei Ausländern mit Aufenthaltsrecht es aber Gestaltungsmöglichkeiten gebe. Hier scheint es auch erste Ansätze zur Zusammenarbeit sowohl mit Betroffenen als auch mit deren Unterstützern zu geben.
Vorwürfe, so die Leiterin des zuständigen Geschäftsbereichs V bei der Kreisverwaltung, Regierungsdirektorin Gabriele Wetzel, entstünden oft aus "Unkenntnis unserer Entscheidungsmöglichkeiten". Tatsache sei, dass das Bundesamt Bundesamt für Migration und Flüchtlingswesen über die Zustände im Zielstaat (Heimat) der Betroffenen entscheide. Darauf habe ihre Behörde keinerlei Einfluss. Dies habe auch im konkreten Fall des vom Ehrenmord bedrohten kurdischen Türken Erdogan gegolten. Wetzel: "Wir haben die Entscheidung zu akzeptieren." Zudem brächten Unterstützer leider oft ungeprüft Dinge vor, die die Betroffenen behaupten. Und Landrat Lieber ergänzt: "Bei unberechtigten Vorwürfen müssen wir uns auch deutlich äußern und wenn entschieden ist, muss auch vollzogen werden. Die menschliche Komponente kann ich verstehen, aber wir haben kein Ermessen." Dies sei nach sachlicher Diskussion auch vom Kreisausschuss so gesehen worden.
Abteilungsleiter Amtsrat Peter Deipenbrock wartete mit Fakten auf. Im Kreis leben derzeit 7047 Ausländer, davon 341 lediglich geduldet. Die Kreisbehörde, so unterstrich auch Deipenbrock, sei für den Vollzug des Ausländerrecht zuständig, Asylfragen seien allein Sache des Bundesamtes. Aber auch beim Vollzug der Ausreise bemühe sich der Kreis, möglichst flexibel vorzugehen. So würden die Betroffenen Menschen zuvor informiert und man versuche im Gespräch, sie zu einer freiwilligen Ausreise zu bewegen. Dies habe für die Betroffenen Vorteile. So sei man bemüht, dabei zu helfen, dass die Ausreisenden bessere Chancen für einen Neustart in ihrer Heimat haben. So können bei einer freiwilligen Ausreise viele persönliche Dinge, Hab und Gut, mitgenommen werden. Bei einer Zwangsabschiebung bleibt den Betroffenen hingegen nicht viel mehr als sie gerade auf dem Leibe haben. Dazu kommen die "Freiwilligen" auch in den Genuss einer finanziellen Förderung - bei Familien bis zu 6000 Euro. Verhindern können eine Zwangsabschiebung nur unverschuldete, schwerwiegende Gründe, etwa eine schlimme Krankheit oder wenn die Betroffenen "praktisch zu Inländern geworden sind". Aber die Rechtssprechung ziehe hier sehr enge Grenzen, sagte Deipenbrock.
Ein großes Problem ist auch die Tatsache, dass viele der geduldeten Ausländer keine gültigen Papiere besitzen. Dies zieht das Asylverfahren oft unerträglich in die Länge. Auch zur Duldung äußerten sich die Vertreter des Kreises. Diese sei kein Aufenthaltstitel, sondern berühre die vollziehbare Ausreise nicht.
Dennoch, so Kreispressesprecher Berno Neuhoff, eins sei für die Ausländerbehörde klar (95 Prozent gehören "zum normalen Geschäft" des Ausländerrechts): "Wir möchten, dass möglichst viele bleiben können." Deshalb auch das verstärkte Bemühen, mit den Betroffenen und ihren Unterstützern ins Gespräch zu kommen. Erste gute Ansätze habe es hier schon gegeben. Helfen, so Deipenbrock, werde man, wo es nur gehe - langsam laufe das Engagement angesichts der neuen Situation, was das Bleiberecht betrifft, an. Und die Kriterien für ein Bleiberecht sind klar definiert: Die Kinder müssen die Schule besuchen, es müssen ausreichende Sprachkenntnisse vorhanden sein - und die Anträge müssen bis Mitte Mai gestellt sein. Viele, so Deipenbrock, hätten davon bis jetzt aber noch keinen Gebrauch gemacht. Insgesamt sind es etwa 140 Personen, die von der neuen Bleiberechtsregelung, die es seit November 2006 gibt, Gebrauch machen könnten. Familien müssen mindestens sechs Jahre ("singles" mindestens acht Jahre) im Land sein, Straftäter sind außen vor, ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis muss nachgewiesen werden (der Lebensunterhalt muss gesichert sein), selbstverständlich ist die Passpflicht.
Der Kreisausschuss, so Lieber abschließend, habe sich voll und ganz hinter die Behörde gestellt und deren Arbeit ausdrücklich gewürdigt. Dabei habe man auch die oft sehr schwierige und belastende Situation für die Mitarbeiter nicht verkannt, die mit bedauernswerten menschlichen Schicksalen konfrontiert würden. Lieber: "Wir stehen jederzeit für Informationen und Diskussionen zur Verfügung, aber wenn ein Fall abgeschlossen ist, muss das auch akzeptiert werden." Dennoch werde man beispielsweise bei freiwilliger Ausreise möglichst viel Flexibilität zeigen, zum Beispiel im Hinblick auf die Ausbildung von Kindern: "Das werden wir so human wie möglich gestalten." Lieber unterstrich: "Unsere Mitarbeiter richten ihr Handeln nach humanitäten Grundsätzen aus." Und so werde man alle Möglichkeiten nutzen, um das Aufenthaltsrecht zu gewährleisten. Am Besten gemeinsam mit allen Betroffenen und deren Unterstützern.(rs)
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Menschenschicksale gehen an ihnen nicht spurlos vorüber - deshalb will man helfen, soweit es geht: Kreispressesprecher Berno Neuhoff, Landrat Michael Lieber, Peter Deipenbrock, Margarete Hombach und Regierungsdirektorin Gabriele Wetzel (v.links). Foto: Reinhard Schmidt
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Nachricht vom 06.03.2007 |
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