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Nachricht vom 27.01.2008
Region
Zolk: CDU wie die Maus in der Falle
Auch in der Union ist die Meinuungsbildung zum Mindestlohn keinesfalls abgeschlossen. Josef Zolk, Bürgermeister in Flammersfeld, langjähriger Landesvorsitzender der Sozialausschüsse der CDU in Rheinland-Pfalz und kooptiertes Mitglied im CDA-Bundesvorstand gehört zu den Befürwortern eines gesetzlichen Mindestlohnes. Er stützt sich bei seiner Argumentation vor allem auf die Aussagen der christlichen Soziallehre und auf die Tatsache, dass in den meisten Ländern der Europäischen Union gute Erfahrungen mit Mindestlöhnen gemacht worden sind. Im folgenden Beitrag, den er dem AK-Kurier zur Verfügung stellte, fasst Zolk seine Argumente zusammen.
josef ZolkKreis Altenkirchen. "Wie die Maus in der Falle muss sich zur Zeit die Union bei der Mindestlohndiskussion fühlen. Viele in ihren eigenen Reihen wissen dies seit langem, andere verschließen die Augen vor der Realität. Vielleicht deswegen, weil man der SPD bei deren wahltaktischem Thema "Mindestlohn" nicht nachgeben will. Dabei hat man das streckenweise schon getan, wie das Entsendegesetz bei den Postdienstleistern beweist. Obendrein werden Mindestlöhne bereits in mehreren Branchen gezahlt, dazu zählen unter anderem das Baugewerbe, die Dachdecker, die Gebäudereiniger, die Maler, die Lackierer, die Elektromonteure; das Arbeitnehmerentsendegesetz ermöglicht Branchenmindestlöhne über den Weg der Allgemeinverbindlichkeitserklärung. Das seit 1952 bestehende Mindestarbeitsbedingungsgesetz wurde zwar nie angewendet, ermöglicht aber Mindestlöhne.
Auch in der Europäischen Union ist das Thema Mindestlohn nicht neu: In 20 Staaten der EU gibt es, teilweise seit vielen Jahren, einen Mindestlohn. Die Spanne ist breit und reicht von 53 Cent pro Stunde in Rumänien bis zu 9,08 Euro in Luxemburg.
Und seit der Koalitionsvereinbarung zwischen Union und SPD 2006 ist klar, dass der Niedriglohnsektor auf der Tagesordnung steht. Die Strategen der Union hätten spüren können, dass die SPD in Ermangelung anderer erfolgheischender Themen den "Mindestlohn" aufgreifen würde, zumal die meisten Gewerkschaften die SPD drängten. Auch ohne den Abgang von Müntefering wäre das Thema auf der SPD-Agenda weiter gespielt worden, denn gerade Müntefering war es, der unermüdlich den Mindestlohn auf die Tagesordnung gesetzt hat, bevor Kurt Beck hier (s)ein Thema gefunden hatte.
Die unionsinternen Mindestlohngegner kritisieren eine populistische Gefälligkeitspolitik bei den Mindestlohnbefürwortern und übersehen dabei zielstrebig die "alte" Forderung der christlichen Soziallehre, nach der "ein Arbeitslohn ausreichen muss für den Lebensunterhalt". Das ist mit Löhnen von 5 Euro pro Stunde und weniger nun eben nicht zu machen. Und das Argument, dass wegen der Einführung von Mindestlöhnen die internationale Konkurrenzfähigkeit der bundesdeutschen Wirtschaft gefährdet würde, trifft nicht. Denn einen Wettkampf bei den Niedrigstlöhnen kann Deutschland nicht gewinnen. Es wird immer Länder geben, in denen noch niedrigere Löhne ausgezahlt werden. Obendrein blüht der Export und der Lohnanteil an den meisten Industrieprodukten nimmt kontinuierlich ab. Ein genereller Mindestlohn dagegen würde die heimische Kaufkraft und die Binnennachfrage stärken und staatliche Transferleistungen an Niedriglohnbezieher reduzieren.
Das Argument, dass mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes viele Arbeitsplätze in das Ausland verlagert würden, hält einer genaueren Prüfung nicht stand, denn Dienstleistungen an Menschen und Institutionen lassen sich nicht ins Ausland verlagern.
Der CDU ist zu raten, schnell raus aus der Falle und somit aus der Defensive, damit wieder mehr Kraft und Zeit bleibt für gestalterische Politik.
Den "reinen" Marktwirtschaftlern muss einleuchten, dass der Markt neben der unsichtbaren Hand auch ein sichtbares Herz braucht. Spätestens seit der Bundestagswahl 2006 ist dies der CDU im Grundsatz auch klar. Denn sie hat 2006 auch deswegen schlechter als erwartet abgeschnitten, weil sie sich als sozial kalte Partei darstellte beziehungsweise als solche vermittelt werden konnte.
In beiden neuen Grundsatzprogrammen von CDU und CSU, die vor wenigen Wochen verabschiedet wurden, ist an den entscheidenden Stellen sehr klar herausgearbeitet worden, dass Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik zwei Seiten der gleichen Medaille und nicht von einander zu trennen sind. Die CDU spricht sich in ihrem neuen Grundsatzprogramm deutlich und entschieden gegen die Sittenwidrigkeit von Niedrigstlöhnen aus, ohne sich bereits für die Einführung von Mindestlöhnen zu entscheiden. Das ist im Grund auch richtig, denn eigentlich ist die Lohnfindung vornehmste Aufgabe der Tarifpartner. Also müssten Arbeitgeber und Gewerkschaften mit ihren Tarifabschlüssen die notwendige, für den Lebensunterhalt ausreichende Lohnfestlegung treffen. Wo dies nicht geschieht, weil entweder Tarifabschlüsse zu niedrige Mindestbedingungen enthalten oder weil es Branchen ohne geregelte Tarifabschlüsse gibt, muss der Gesetzgeber wohl oder übel Lohnuntergrenzen festlegen. Wenn das freie Spiel der Kräfte soziale Verantwortung nicht wahrnimmt, ist es Aufgabe der Politik, den notwendigen Ordnungsrahmen zu setzen. Deshalb ist es sachlich geboten, gesetzliche Mindestlöhne festzulegen. Genauso wichtig ist es aber, durch eine vernünftige Bildungs- und Berufsbildungspolitik dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmer so ausgebildet sind, dass sie im Wettbewerb um gut bezahlte Arbeitsplätze bestehen können." (Josef Zolk)
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Josef Zolk, 58, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Flammersfeld, langjähriger Landesvorsitzender der CDU-Sozialausschüsse in Rheinland-Pfalz und kooptiertes Mitglied im CDA-Bundesvorstand. Zolk war Mitglied in der CDU-Grundsatzkommission.
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