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Nachricht vom 10.12.2012 |
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Region |
Verschiebung globaler Machtinteressen |
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Friedrich Merz, Karl Lamers und Andrew Denison analysierten beim marienthaler forum die Wahlen in Amerika und Frankreich. Für Friedrich Merz, Vorsitzender der Atlantik-Brücke steht fest, dass eine gemeinsame Wirtschaftspolitik Europas dringender geboten ist als je zuvor. |
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Wissen. Die USA haben gewählt, Obama bleibt Präsident, die Mehrheitsverhältnisse in Senat und Abgeordnetenhaus wurden bestätigt. In Frankreich dagegen kam es in diesem Jahr zum Machtwechsel, mit Francois Hollande steht ein Sozialist als Nachfolger Sarkozys an der Staatsspitze. Welche Auswirkungen diese Wahlen auf die deutsche und europäische Politik haben, das fragte das marienthaler forum im Wissener Kulturwerk. Und über hundert Besucher wollten Antworten hören: von Friedrich Merz, ehemals Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und heute Vorsitzender der Atlantik-Brücke; von Karl Lamers, in den 90er Jahren außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion; und von Deutsch-Amerikaner Andrew B. Denison, Politikwissenschaftler und Leiter des Forschungsverbundes Transatlantic Networks.
Die Musik spielt in Asien
Ulrich Schmalz, Initiator des marienthaler forums, skizzierte jedoch zunächst nicht nur den Ausgang der beiden Wahlen, sondern auch wesentliche Begleitumstände. Mit der abzusehenden Energieautarkie, die die USA mit der Erschließung heimischer Öl- und Gasvorkommen erreichen dürfte, so seine These, schwinde das Interesse Amerikas am Nahen Osten. Hier sei zukünftig viel stärker als bisher Europa gefordert. „Ökonomisch spielt für Amerika ohnehin der asiatisch-pazifische Raum eine viel größere Rolle als Europa“, so Schmalz. Mit Blick auf Frankreich hielt er dessen Herabstufung durch eine Ratingagentur für bedenklich, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Frankreich sich offensichtlich dem Instrumentenkasten der 50er Jahre bediene und über die Verstaatlichung von Industrieunternehmen nachdenke.
Dass die Franzosen seit Jahrhunderten viel stärker als etwa die Deutschen staatlichen Heilungsversprechen nachhängen und auf staatliche Interventionsmöglichkeiten setzen, machte Karl Lamers deutlich. Eine Staatsquote von 57 Prozent spreche für sich. Der für Deutschland so bedeutende Mittelstand spielt hier eine geringere Rolle, Bürokratie mache unternehmerische Initiative vielfach zunichte oder schränke sie beachtlich ein. Nachdrücklich forderte Lamers Deutsche und Franzosen auf, den Dialog über eine künftige gemeinsame europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik voranzutreiben, die sich bislang in der Fortführung nationaler Politikstrategien beschränkt habe. Mit dieser Forderung lieferte er eine Steilvorlage für Friedrich Merz, der den von Lamers und Wolfgang Schäuble in den 90er Jahren begründeten Gedanken vom Kerneuropa - Merz hält die Währungsunion für zu groß - aufgriff, in dem Deutschland und Frankreich entscheidende Rollen spielen müssten, wobei Frankreich sich endlich der Globalisierung stellen müsse. Die Abwertung des Franc, wie vor Jahrzehnten unter Präsident Mitterand, falle heute als Ultima Ratio zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit aus. „Und Großbritannien wird sich irgendwann einmal entscheiden müssen, auf welcher Seite des Atlantiks es zuhause ist“, so ein Seitenhieb Richtung Ärmelkanal.
Nicht nur über Finanztechnik reden
Eine politische Union benötige stärker als bisher eine gemeinsame Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik sowie die Möglichkeit der Haushaltskontrolle. Darüber müsse man sich in Europa unterhalten, und zwar so, „dass die Bevölkerung uns folgen kann und sich nicht mit undurchschaubaren Finanztechnik-Diskussionen beschäftigen muss, die kaum jemand mehr begreift.“ Handeln statt verhandeln, so seine Botschaft, und dies gemeinsam. Denn die Finanzkrise sei keine globale Krise, sondern eine Amerikas und Europas. Während die USA ihre maroden Banken saniert und zum Teil wieder an den Markt gebracht hätten, rede man in Europa noch immer über Wege der Sanierung. Schließlich verstünden die USA die Europäer auch deshalb nicht, weil man dort nichts mit einem supranationalen Staatengebilde anfangen könne, dessen Zuständigkeiten von außen betrachtet bis heute nicht ersichtlich seien. Noch immer gelte das Kissinger-Wort, wonach der US-Präsident die Telefonnummer Europas nicht kenne. Eine Folge laut Merz: „Wir bezahlen das Ganze nicht nur mit politischer Uneinigkeit, sondern auch mit wirtschaftlicher Schwäche.“
China auf dem Weg zu historischer Stärke
Die Bedeutung einer innereuropäischen Verständigung über gemeinsame Strategien machte er auch mit Blick auf die Veränderungen der außenpolitischen Prioritäten der Vereinigten Staaten klar, die ihren Blick nach Asien richten: „Wir erleben in diesen Monaten eine Verschiebung der amerikanischen Machtinteressen und der globalen Machtverhältnisse.“ China sei eben nicht nur ein riesiger Markt für amerikanische Produkte, sondern das konsumfreudige Amerika ebenso attraktiv für die Chinesen, die zudem der größte Gläubiger Amerikas seien. Gleichwohl warnte Merz davor, China als ökonomischen Emporkömmling oder gar als Bedrohung zu betrachten, das bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu den wohlhabendsten Ländern der Welt gehört habe.
Für den in Wyoming geborenen Andrew B. Denison, Deutscher und Amerikaner, hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits eine Erkenntnis des Abends fest gefügt: „Es kommt auf Europa und die USA an.“ Denn so wie auf beiden Seiten des Atlantiks Frieden und Wohlstand verwirklicht wurden, strebe es der Rest der Welt in weiten Teilen erst an. Die „atlantische Freiheit“, die sich in Demokratie und Rechtstaatlichkeit ausdrücke, sieht er als ebenso erstrebenswert für viele Länder. Zum US-Schuldenberg, in Obamas Regierungszeit von 10 auf 16 Billionen Dollar gestiegen, gab er zu bedenken, dass massiv in Wissenschaft, Innovation, Bildung und Gesundheitsversorgung investiert wurde. Damit sei man für die Herausforderungen der Zukunft gewachsen, immerhin wachse die US-Bevölkerung stetig. Die wachsende Bedeutung des asiatisch-pazifischen Raumes in der amerikanischen Wahrnehmung bestätigte er zwar, er glaubt aber weiterhin an Europa und insbesondere an Deutschland als dessen Integrationsmotor, das die „Einheit in Vielfalt“ zu gestalten wisse. (as) |
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Nachricht vom 10.12.2012 |
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