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Nachricht vom 27.02.2014
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Du bist anders als ich – und das ist auch gut so!
Von Eva Klein

Sie halten sich für einen psychisch stabilen Menschen mit einem ruhigen Gemüt und einer gesunden Portion Gelassenheit? Prima, dann versuchen Sie doch bitte einmal, meine Familie zu einem Ereignis, welches die Anwesenheit der gesamten Familie erfordert, vollständig, pünktlich und ordentlich gekleidet aus dem Haus zu bekommen. Ich gebe Ihnen Brief und Siegel, dass Ihre psychische Stabilität und Gelassenheit dies nicht unbeschadet überstehen wird und Sie binnen kürzester Zeit so etwas wie Gemütsruhe nur noch aus Büchern kennen.
Kinder sind wie Blumen - nicht programmierbar und jedes anders. Foto: Eva KleinWoran das liegt? Nun, vielleicht an den Unmengen an Stofftieren, Flummis und Steinen oder Stöcken, die kurz vor Start unbedingt noch in sämtlichen Jackentaschen verstaut werden möchten. Vielleicht liegt es auch an der offensichtlich sehr reiseempfindlichen Verdauung unseres Jüngsten, die anscheinend sensorisch testet, wann wir dringend los müssen und der dann unbedingt vorher noch eine frische Windel benötigt.

Gut, das alles ist kein Drama und gehört wohl zu den kleinen und großen Tücken des Familienlebens dazu. Meine Grundüberlegung ist eine ganz andere. Warum stressen uns derartige Vorfälle so? Was ist daran so schlimm, wenn nicht alles nach Plan läuft? Bei größeren Katastrophen schalten wir doch auch sofort auf Lösungsmodus, warum werfen uns Kleinigkeiten derartig aus der Bahn?

Vielleicht, weil Menschen – besonders wenn sie Eltern sind – Pläne nun mal lieben. Wir planen unseren Tagesablauf, planen die Ferien (wenigstens die der Kinder) und vor allem planen wir deren Zukunft. Ab dem Zeitpunkt, an dem so ein kleiner Wurm auf die Welt kommt, haben wir als Eltern – bewusst oder unbewusst – eine Art Masterplan für sein Leben im Kopf.

Natürlich wissen wir, dass da noch durchaus ein eigener Kopf dahinter steckt, der zu seinem Lebensablauf wohl auch noch ein Wörtchen zu sagen hat. Doch es wäre doch toll, wenn.... wenn er später einmal so sportlich würde wie der Opa, die musikalische Tradition der Oma fortführen würde und vielleicht wird er später ja einmal Lehrer, Arzt oder führt den eigenen Betrieb weiter.

Bei diesen ganzen “Wenn´s“ vergisst man leicht das “Aber“. Das “Aber“ heißt im konkreten Fall Lukas oder Sophia und ist ein ganz eigener Mensch mit Stärken und Schwächen, die manchmal so gar nicht mit den Vorstellungen der Eltern kompatibel sind.

Es fällt leicht, Kinder so zu akzeptieren, wie sie sind – solange es nicht die eigenen sind!

Bei den eigenen Kindern wirken Mechanismen, die unbewusst ein gewünschtes und ungewünschtes Verhalten generieren. Mit einem Scheuklappenblick auf die Schwächen wird oft ausgeblendet, welche Stärken da im Verborgenen schlummern und wie sie auf wunderbare Weise jedes Kind zu einem einzigartigen Wesen machen.

Da ist der kleine Träumer, der gedankenverloren durch die Welt stolpert und stundenlang Steine suchen kann. Wahrscheinlich wird er nie ein Banker werden, aber seine Fähigkeit, sich auf die kleinen Dinge des Lebens zu konzentrieren, wird ihm vielleicht andere Chancen eröffnen.

Da ist das laute kleine Mädchen, die reden kann wie ein Wasserfall und deren ungestümes Temperament jeden Restaurantbesuch zu einer Zerreißprobe macht. Sie wird sich wahrscheinlich nicht an einem Schreibtisch wohlfühlen und wohl nie mehr als nötig die Nase in Bücher stecken, aber ihr Selbstbewusstsein wird ihr helfen, sich im Leben zu behaupten.

Stärken zu fördern und die Schwächen manchmal einfach bis zu einem gewissen Grade zu akzeptieren – das klingt leichter als es ist. Es hat auch nichts damit zu tun, sich das Leben und die erzieherische Verantwortung leicht zu machen. Ambivalenztoleranz – so nennen es die Fachleute – bedeutet in erster Linie, einen anderen Menschen so zu akzeptieren, wie er ist. Auch wenn dies bedeutet, dass er grundlegend anders ist, als man selbst, andere Interessen hat und andere Vorlieben.

Es bedeutet für den kernigen Fußballtrainer zu akzeptieren, dass sein Sohn lieber tanzt, als Bälle zu kicken. Es bedeutet für die studierte Publizistin einzusehen, dass der eigene Spross nur höchst unwillig seine Nase in Bücher steckt und eben lieber Fußball spielt. Dafür bekommen diese Kinder etwas mit, was mit sämtlichen Frühförderungen nicht aufzuwiegen ist – die Gewissheit, dass sie so geliebt werden, wie sie eben sind.
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