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Nachricht vom 23.09.2014 |
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Region |
Kampf um Fachkräfte hat auch im AK-Land begonnen |
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Sie fehlen jetzt schon in den Firmen: Fachkräfte. Die demographische Entwicklung zeigt, dass sich der Trend eher noch verschärfen wird. Regionen wie der Kreis Altenkirchen sind da nicht außen vor. Im Gegenteil. Wie dem Problem begegnet werden kann, wurde jetzt auf dem Fachkräftegipfel in Altenkirchen gezeigt. |
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Altenkirchen. Auf dem ersten Blick nichts Besonderes: Ein Mitarbeiter, korrekt im weißen Hemd gekleidet, sitzt an einem typischen Schreibtisch am PC, zwischendurch greift er zum Telefon. Büroalltag in Deutschland.
Dann fallen die Spielzeuge auf, die buntere Einrichtung des Büros – und natürlich das Kind, das vergnügt im Hintergrund spielt. Nichts Ungewöhnliches bei der Maschinenfabrik Georg in Kreuztal. Sie hatte vor einiger Zeit ein Eltern-Kind-Zimmer eingerichtet, wie Thomas Kleb vom Unternehmen auf dem Fachkräftegipfel im Altenkirchener Spiegelzelt den Teilnehmern vorstellte. Es hatten die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des AK-Kreises eingeladen, zusammen mit der IHK und HWK Koblenz sowie des Beratungsbüros "Neue Kompetenz-Frau und Beruf".
Das vorgestellte Beispiel des Eltern-Kind-Zimmers war nur eines von vielen auf der Veranstaltung, wie Fachkräfte gewonnen und gehalten werden können. Denn das wurde auf dem Gipfel bitter deutlich, wie es Oliver Schrei von der Wirtschaftsfördergesellschaft auf den Punkt brachte: „Der Kampf um die Köpfe nimmt in unserer Region zu.“ Er präsentierte die Ergebnisse einer Fachkräfteumfrage der Wirtschaftsfördergesellschaft (WFG), die vor allem bei Unternehmen aus dem AK-Land ein Stimmungsbild eingeholt hatte.
Nur eine Zahl zeigt am eindrucksvollsten, welchen Stellenwert die Sicherung von Fachkräften bereits jetzt im Kreis hat. Immerhin gaben rund 20 Prozent der 129 Unternehmen, die an der Umfrage teilgenommen hatten, dass sie Aufträge in der Vergangenheit ablehnen mussten aufgrund von Personalengpässen – und das meist mehrmals.
Insgesamt sehen sich über 80 Prozent aller teilnehmenden Unternehmen einer verschärften Fachkräftesituation sehr stark oder teilweise ausgesetzt. Und über 55 Prozent gaben an, aktuell einen Bedarf an Fachkräften zu haben.
Bei solchen Zahlen wendet sich der Blick automatisch hin zu dem zukünftigen Potential an Fachkräften, der Jugend. An Berno Neuhoff von der Stabsstelle Demographie des Kreises Altenkirchen lag es die aktuellen Zahlen und Perspektiven darzustellen. Niemand der Gäste dürfte überrascht gewesen sein ob Neuhoffs plakativer Zusammenfassung: „Wir schrumpfen.“
Und das liegt nicht nur an den niedrigen Geburtenraten, die schon länger nicht mehr die Sterbefälle ausgleichen können und werden. Hier lag sei der Kreis Altenkirchen sogar am stärksten von betroffen im Vergleich zu den umliegenden Regionen, wie dem Westerwaldkreis oder den Kreis Siegen-Wittgenstein. Hinzu kommt, dass der Kreis Altenkirchen seit der Jahrtausendwende mehr Fort – als Zuzüge zu verzeichnen hat (im Jahr 2011 ein Minus von 432) und bei weitem mehr Arbeitnehmer auspendeln als einpendeln in das Kreisgebiet (2012 ein Minus von 11.545 Pendlern).
Der Kreis Altenkirchen sei der Pendlerkreis schlechthin, sagte Neuhoff, aber es sei utopisch, hier eine Balance herzustellen. Ein gänzlich pessimistisches Bild wollte Neuhoff dann aber doch nicht malen. „Ich will auch Mut machen.“ Schließlich seien demografische Prognosen auch immer „ein Blick in die Glaskugel“. Langfristige Trends kenne niemand. Zudem bedeuteten weniger Schüler auch Einsparungen, die seiner Meinung nach wiederum in Bildung investiert werden müssten. Und nichts desto trotz müsse sich die Politik auf die veränderten Bedingungen anpassen und heute Strukturentscheidungen treffen.
Tatsächlich müssen auch die Unternehmen selbst aktiv werden, um bei Thema Fachkräftesicherung nicht ins Hintertreffen zu gelangen. Beispiele zeigten auf der Veranstaltung verschiedene Vertreter von Firmen aus unterschiedlichen Branchen vor.
Schüler für Unternehmen begeistern:
70 bis 80 Ausbildungsstellen könnten sofort besetzt werden in seinem Gebiet, sagte Bernd Hammes von der Handwerkskammer Koblenz. „Über alle Bereiche im Handwerk haben wir Nachwuchsprobleme.“ Potential sieht Hammes vor allem noch in Studienabbrechern, denen eher eine praktische Ausbildung liegt. Ihnen müssen aktiv Perspektiven eröffnet werden, unter anderem mit der Möglichkeit eine Ausbildung sofort – ohne Wartezeiten – im Betrieb beginnen zu können.
Ein Trend, der sich auch bei der Unternehmensgruppe Rhodius aus der Eifel zeigt. „So langsam wird das richtig knapp“, sagte Stephanie Schneider, die bei Rhodius die Personalabteilung leitet. Ihre Firmengruppe versuche dem unter anderem mit Öffentlichkeitsarbeit in Sozialen Netzwerken entgegenzuwirken. Eigenverantwortlich betreiben aktuelle Azubis der rund 500 mitarbeiterstarken Unternehmensgruppe eine Facebook-Seite, um Schüler für eine Ausbildung bei Rhodius zu begeistern. Auch habe Schneider gute Erfahrungen mit der Zusammenarbeit mit Schulen und Lehrern gemacht.
Genauso ging es Peter Bohl vom gleichnamigen Handwerksunternehmen aus Herdorf.
Jörg Röttgen von der Altenkirchener Weller-Gruppe (Autobedarf) sieht in Praktika ein geeignetes Instrument, um Interesse bei den Schülern zu wecken und die Vorzüge der Arbeit bei seiner Firma herauszustellen.
Jennifer Kothe, Wirtschaftsreferentin der WFG des Kreises Altenkirchen, hob die Bedeutung von Events für die Zielgruppe hervor, die im Kreis regelmäßig stattfinden. Stichworte waren hier das jährliche Metallforum, der Metallerlebnistag für Schüler der Sekundarstufe II oder „Future Inc.“, eine ähnliche Veranstaltung für Schüler der Oberstufe.
Weggezogene wieder in den Kreis holen:
Es sei begrüßenswert, wenn Jugendliche nach Schule Erfahrungen außerhalb der Heimat sammelten, sagte Berno Neuhoff von der Stabsstelle Demographie des AK-Kreises. Aber: „Die Weggezogenen müssen wieder hierher kommen.“ Wie kann dieser „akademische Aderlass“ (Neuhoff) bekämpft werden? Das Zauberwort heißt für Neuhoff hier „Kontaktdaten“. Diese müssten umfangreich und rechtzeitig bei den Schülern erhoben werden, damit man den Kontakt zu den zukünftigen Fachkräften halten könne, beispielsweise über Soziale Netzwerke oder auch von Angesicht zu Angesicht über regelmäßige Stammtische. Auf diese Weise hielte man die Vorzüge der Heimat an sich und der hiesigen Unternehmen in Erinnerung.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf:
Erst nach rund sechs Jahren stiegen Frauen im Schnitt wieder ins Berufsleben ein nach der Geburt eines Kindes. Das sei immer noch viel zu lange angesichts eines sich abzeichnenden Fachkräftemangels, bemängelte Anke Richter vom Verein Familie und Beruf. Um hier Abhilfe zu schaffen, müssten Brücken zwischen Unternehmen und Frauen gebaut werden. Die Firma Georg aus Kreuztal geht hier mit gutem Beispiel voran, wie eingangs beschrieben. Zudem ist das Unternehmen eine Kooperation mit einer städtischen Kindertagesstätte eingegangen, die direkt am Firmengelände liegt.
Bei der Unternehmensgruppe Rhodius wurden Lebenszeitkonten eingeführt – mit Blick auf die älteren Arbeitnehmer. Auch werde den Arbeitnehmern mit der Möglichkeit von zu Hause aus zu arbeiten entgegengekommen, betonte Stephanie Schneider von der Personalabteilung. Beispielsweise helfe dies einem Mitarbeiter, die Pflege eines Angehörigen und die Arbeit, in Vollzeit wohlgemerkt, unter einen Hut zu bringen.
Weiterbildung und Karriereförderung:
Das Handelsunternehmen für Autobedarf Weller hat laut Jörg Röttgen deutlich mehr Mittel in die Arbeitnehmerqualifizierung investiert, um Fachkräfte zu fördern. Aber neben Geld sei ebenfalls Zeit notwendig für die Personalentwicklung.
Ähnlich sieht es auch Peter Bohl vom gleichnamigen Handwerksunternehmen aus Herdorf. Seine Firma erarbeitet frühzeitig mit seinen Mitarbeitern Karriereperspektiven und zukünftige Arbeitsbereiche.
Wertschätzung der Mitarbeiter:
„Mitarbeiter sind wesentlich anspruchsvoller geworden“, sagte Jörg Röttgen. Ähnlich äußerten sich die anderen Redner. Entsprechend müsse auf die Arbeitnehmer zugegangen werden. Einige der Vertreter haben gute Erfahrungen mit Mitarbeiterbefragungen gemacht, die schließlich in oben beschriebene Maßnahmen mundeten. Aber grundsätzlich zählten laut Röttgen auch nicht nur konkret greifbare Verbesserungen – vor allem ein menschliches Arbeitsklima sei für Mitarbeiter immens wichtig.
Und, da waren sich alle Teilnehmer einig, ohne den Chef bringen alle Bemühungen nichts. Thomas Kleb von der Maschinenfabrik Georg brachte es auf den Punkt: „Wenn Sie es nicht vorleben als Führungskraft, geht alles in die Hose.“
Das gelte auch für das Image, das ein Unternehmen attraktiv nach außen präsentieren müsse, um Fachkräfte anzulocken. Und hier gebe es noch Nachholbedarf für die Firmen im AK-Land, stichelte Anke Richter vom Verein "Neue Kompetenz - Familie und Beruf": Neben toller Luft und Landschaft brauche der Kreis nämlich auch Unternehmen, die sich um ihre Mitarbeiter kümmerten. (ddp)
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Nachricht vom 23.09.2014 |
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