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Nachricht vom 24.03.2015
Region
Bilanz ernüchternd: Zehn Jahre Hartz IV im Kreis Altenkirchen
Vor zehn Jahren wurde Hartz IV eingeführt. Nun zog das Jobcenter für den AK-Kreis Bilanz. Bei der Vorstellung verschiedener Programme beleuchteten die Verantwortlichen vor allem Qualifizierungsmaßnahmen. Außerdem förderten sie Erkenntnisse zutage, die nicht jedem Sozialpolitiker gefallen dürften.
Bilanz für den Kreis Altenkirchen: 10 Jahre Hartz IV. Foto: Daniel PirkerKreis Altenkirchen/Betzdorf. Mit 5,6 Prozent Arbeitslosigkeit steht der Kreis Altenkirchen im bundesdeutschen Vergleich relativ gut da. Das mindert natürlich nicht das Schicksal der Menschen ohne Arbeitsstelle. Zweidrittel von ihnen beziehen Arbeitslosengeld II. also Hartz IV. Diese Zahl bleibt auf konstantem Niveau.

Das war eine der vielen Information, die von Vertretern der Trägerversammlung der Jobcenter im AK-Kreis der Presse in der Betzdorfer Niederlassnung nun vorgestellt wurden. Die Verantwortlichen versuchten zu verdeutlichen, dass sich hinter den Zahlen Menschen und Schicksale verbergen. So könne man ziemlich schnell in Hartz IV rutschen, betonte Heiner Kölzer, der Leiter des Jobcenter für des Kreis Altenkirchen (ehemals ARGE).

Im letzten Dezember gehörten rund 6700 Menschen zum Kreis der Grundsicherungsempfänger. 4800 von ihnen sind laut dem Jobcenter erwerbsfähig. Und 3607 leben in sogenannten Bedarfsgemeinschaften, erhalten also 360 Euro und nicht 399 Euro wie Alleinstehende als Regelsatz.

Aber was verbirgt sich unter der Oberfläche dieser Zahlen? Zum Beispiel rund 800 sogenannte „Aufstocker“, die ihre Grundsicherung mit einem Job ausbessern – oder umgekehrt: ihren Verdienst mit Hartz IV aufbessern. Allerdings, schränkte Kölzer ein, seien diese Zahlen mit Vorsicht zu interpretieren. Es gebe nämlich nicht den typischen „Aufstocker“, das Spektrum dieser Beziehergruppe sei relativ weit gefasst.

Kann hier der Mindestlohn für Abmilderung sorgen, also helfen, seinen Lohn nicht mehr mit der Grundsicherung aufstocken zu müssen? Kölzer macht hier keine großen Hoffnungen und prognostiziert „keinen großen Effekt“. Bisher seien ihm nur ein bis zwei Bedarfsgemeinschaften bekannt, die es dank des Mindestlohns aus dem Hartz-IV-Bezug geschafft hätten.

Grundsätzlich scheint das Risiko die Grundsicherung langfristig beziehen zu müssen relativ hoch. So sind von den 6694 sogenannten Leistungsbeziehern im Kreis etwas unter 3000 schon seit über 21 Monaten arbeitssuchend.

Insgesamt konnte Kölzer hinter den Zahlen aber „ein Kommen und Gehen“ verzeichnen. Der Absprung ins Arbeitsleben ist möglich. Das belegen ebenfalls die Zahlen: Die Integrationserfolge der letzten Jahre schwankten zwischen 1614 (im Dezember 2011) und 1225 (im letzten Dezember). Grundsätzlich müsse Hartz IV „keine Einbahnstraße“ sein, sagte der Leiters des Jobcenters.

Und damit der (Wieder-)Einstieg ins Berufsleben klappt, bietet das Jobcenter verschiedene Weiterbildungsmöglichkeiten und Programme an. Das schlägt sich auch in den Ausgaben nieder: So seien im Haushalt des Kreis Altenkirchen (Jobcenter sind eine gemeinsame Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit und kommunaler Träger) 300.000 Euro allein für Bildungs- und Teilhabemaßnahmen aufgeführt, schlüsselte Kölzer auf.

Wie konkrete Maßnahmen hier aussehen? Manfred Plag verdeutlichte dies am Programm „AusBILDUNG wird was – Spätstarter gesucht! Zweite Chance für junge Erwachsene“, das seit 2013 insgesamt drei Jahre laufen soll. Zielgruppe sind 25- bis 35-jährige. Sie sollen die Chance auf eine Erstausbildung in einem Betrieb erhalten. Die Ausbildungsdauer ist verkürzt, zwischen 24 und 27 Monate sind Teilnehmer des Programms als Lehrlinge angestellt und bekommen zumindest in der Regel die normale Vergütung ausgezahlt. Der Erfolg der Initiative ist selbstverständlich abhängig von der Kooperation der Wirtschaft.

Deshalb warb Karl-Ernst Starfeld, Leiter der Agentur für Arbeit Neuwied, für die Bereitschaft der Betriebe mitzumachen. Die sei nämlich noch durchaus steigerungsfähig.
Aber es muss auch nicht immer unbedingt eine betriebliche Ausbildung sein, um in der Arbeitswelt (wieder) Fuß zu fassen. Das wurde beim Vortrag von Frank Lenz deutlich. Er ist Mitarbeiter der Berufskraftfahrschule Kiry, die verschiedene Niederlassungen im Kreis unterhält. In Zusammenarbeit mit dem Jobcenter werden Lehrgänge für Arbeitssuchende angeboten. Nicht ohne Erfolg, will man den vorgestellten Zahlen glauben. So liege die Eingliederungsquote der Lehrgänge für LKW und Bus bei über 78 Prozent. Insbesondere Busfahrer seien nachgefragt – auch Frauen und über 55 Jährige, die längere Zeit nicht im Beruf waren.

Gleichzeitig sollen auch neue Wege bei der Vermittlung von Arbeitssuchenden beschritten werden. Starfeld erläuterte ein „Coaching“-Programm, das durch den Europäischen Sozialfonds gefördert wird. Das Programm soll testweise in den Kreisen Neuwied und Altenkirchen anlaufen – sofern der entsprechende Antrag genehmigt wird. Jeweils ein Betreuer würde dann versuchen, Betroffene in Arbeit zu bringen – oder zu halten. Letzeres war Josef Zolk, dem Vorsitzenden der Trägerversammlung, wichtig. Denn wenn Probleme aufträten im jeweiligen Betrieb, stünden erst mal Gespräche mit dem Coach an anstatt der Rauswurf. (ddp)

Diagramm (Quelle: Jobcenter Kreis Altenkirchen):


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