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Nachricht vom 13.02.2016
Politik
Kubicki in Wissen für das Recht auf Selbstbestimmung
Der Wert eines Redners offenbart sich auch darin, wie lange sein Publikum bereit ist, auf ihn zu warten. Im Falle der Wahlkampfveranstaltung der Kreis-FDP mussten die Zuhörer rund anderthalb Stunden ausharren, bis der stellvertretende Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki den Weg ins Wissener Kulturwerk fand. Aber die Wartezeit hatte sich gelohnt.
Wusste das Publikum im Kulturwerk für sich einzunehmen: der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki. Fotos: Daniel-D. PirkerWissen. In Schleswig-Holstein kann man wohl etwas schneller unterwegs sein als in Rheinland-Pfalz. Zumindest führte der norddeutsche Hauptredner der FDP-Wahlveranstaltung im Foyer des Wissener Kulturwerks seine Verspätung unter anderem auf die ungewohnte Verkehrslage zurück. Oder ob es daran lag, dass das Kulturwerk nicht korrekt in GoogleMaps aufgeführt ist, wie Wolfgang Kubicki humorvoll erklärte. Fakt ist: Bis zu seinem Eintreffen war das Foyer des Wissener Kulturwerks immer noch randvoll. Überbrückt wurde die Wartezeit von der Vorstellung der Landtagskandidaten und einem launigen Spontanvortrag des ehemaligen Landes-Wirtschaftsministers Hans-Artur Bauckhage aus Daaden.

Bauckhage lieferte einen rhetorischen Aperitif auf Kubickis Rede: kurzweilig, kantig und der liberalen Wählerseele aus dem Herzen sprechend. Nicht zu vergessen die unüberhörbaren sprachlichen Einfärbungen. Der Vortrag Kubickis hätte niedergeschrieben auch eine Art Grundsatzprogramm der FDP sein können. Allerdings eines das aktuelle Entwicklungen berücksichtigt, Seitenhiebe auf politische Gegner süffisant austeilt und einige Anekdoten aus der Welt des Rechtsanwalts und stellvertretenden Bundesvorsitzenden bereithält.

Klar, der rote Faden des Manns aus Schleswig-Holstein war die Freiheit. Und die manifestiert sich insbesondere in dem Recht auf Selbstbestimmung. Im Gegensatz dazu stünden vor allem die Bevormundungsbemühungen der SPD und der Grünen. Kubicki dagegen propagierte das „Recht auf Unvernunft“. Ja, ein wesentlicher Teil seines eigenen Lebens baue zum großen Teil darauf, inklusive dem Wagnis nach gescheiterten Ehen erneut den Bund fürs Leben einzugehen. Hier zeigte sich der Norddeutsche auch trotzig, auf seine humorvolle Art und Weise natürlich: Zwar rauche er nicht, aber wenn dies auch noch verboten werde, fange er damit noch an. Und zwar wisse er, dass es schädlich sei, aber: „Trotzdem trinke ich gerne auch mal zwei, drei Flaschen Wein am Abend.“ Das lasse er sich auch nicht von der Grünenpolitikerin Renate Künast verbieten: „Die Lebensfreude springt ihr ja geradezu aus dem Gesicht“, scherzte der FDP-Politiker zum Wohlwollen der Gäste.

Seine „lieben grünen Freunde“ (Kubicki) waren das Lieblingsziel der Häme des Redners. Kritik übte Kubicki aber auch an SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer, ohne sie namentlich zu erwähnen. So müsse man sich der Diskussion mit Rechtspopulisten stellen und so für demokratische Werte kämpfen. Dreyer hatte eine Teilnahme an einer TV-Debatte abgesagt, an der sich die Alternative für Deutschland beteiligt. Kubickis Grundsatz lautet: Probleme müssen angesprochen werden, damit sie gelöst werden können. Und von denen gibt es laut dem FDP-Prominenten genügend. Beispiel Bildung: Man dürfe Kinder nicht über einen Kamm scheren, sagte Kubicki mit Blick auf Schulformdebatten. Stattdessen sollten deren unterschiedliche Neigungen und Talente gefördert werden. Erst dies ermögliche die Fähigkeit zur späteren Selbstbestimmung. Daneben geißelte er den Trend zur Akademisierung an: „Ein guter Geselle ist mir lieber als ein schlechter Bachelor.“
Einer rot-grünen Forderung nach Abschaffung der Noten erteilte er eine klare Absage. Denn ohne die Einübung von Wettbewerb hätten die späteren Arbeitnehmer schlechte Chancen in einer globalisierten Wirtschaftswelt. Insgesamt warnte Kubicki vor einer Senkung der Schulanforderungen, die schließlich auch das Abitur entwerteten. Er fordert stattdessen bundesweit einheitliche Abschlüsse und Freiheiten für die Lehrer. Dem SPD-Motto nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit widersprach Kubicki des Weiteren vehement. Denn: „Es gibt keine gleiche Arbeit.“ An Beispielen aus dem Fußball und der Kreativbranche verdeutlichte er, dass mit einer gleichen Bezahlung Anreize wegfielen.

Mit Blick auf die Flüchtlingsdebatte betonte Kubicki, Humanität kenne keine Grenzen, sehr wohl allerdings die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft. Er forderte in diesem Zusammenhang: „Rückführung ist wesentlich“. Er begrüßte grundsätzlich Zuwanderungsregelungen wie sie etwa Kanada praktiziert, also orientiert an den Fähigkeiten der potentiellen Neubürger. Gleichzeitig zeigte er Verständnis für kulturelle Unterschiede, die Zuwanderer aus dem arabischen Raum aufweisen. Allerdings sollte dies nicht dazu führen, dass man Handlungen akzeptiere, die gegen die westliche Lebensweise gerichtet seien: „Wir müssen aufpassen, dass nicht mit zweierlei Maß gemessen wird.“

Gerade mit Blick auf die Zukunft des ländlichen Raums, forderte er schnelleres Internet, und zwar zeitnah. Ansonsten drohe eine „Entleerung“. Grundsätzlich missfiel ihm der oft schlechte Zustand der Infrastruktur in Deutschland. Brücken und Straßen würden verfallen. Nur: Woher das Geld für die Baumaßnahmen nehmen? Zum Beispiel durch die Einnahmen, die durch ein Prozent zusätzliches Wirtschaftswachstum zustande kämen. Das bedinge natürlich eine wirtschaftsfreundlichere Politik. Auch der Verzicht auf die abschlagsfreie Rente mit 63 und die Mütterrente hätten entsprechende finanzielle Mittel für die Infrastruktur freigemacht.

Ein Kritikpunkt Kubickis richtete sich gegen den deutschen „Kontrollwahn“, der sich nicht nur bei der Verhinderung von Bauprojekten oder der Energiewende zeige. Gegen eine übermäßige Regulierung gerade von kleineren Unternehmen hatte sich auch die Direktkandidaten für den Wahlkreis 1, Sandra Weeser, in ihrer Vorstellung ausgesprochen. Bauckhage hatte sich für den Ausbau der B 8 und der B 255 stark gemacht.
Kubicki prangerte beispielsweise auch die Dokumentationspflicht für Arbeitgeber im Rahmen der Mindestlohnpolitik an. Während von Griechenland ein flexiblerer Arbeitsmarkt gefordert werde, setze die Politik in Deutschland genau das Gegenteil um. Und hier kommt wieder die Flüchtlingspolitik ins Spiel: Flexiblere Regelungen in Sachen Mindestlohn oder die Kostenübernahme der Integrationsleistungen von Betrieben seien wichtig, um Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Schließlich seien es nicht die gut ausgebildeten Menschen, die zu uns kommen. „Irgendwo hört die Leistungsfähigkeit der Unternehmen auf“, sagte Kubicki.

Auch Eingriffe in die Privatsphäre kritisierte Kubicki. Er selbst hatte beim Bundesverfassungsgericht gegen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung geklagt. In diesem Zusammenhang lehnte er auch vehement die Abschaffung von Bargeld ab, wie sie momentan ab einer gewissen Grenze diskutiert wird. Denn er wolle nicht, dass sein langjähriger SPD-Gegenspieler im schleswig-holsteinischen Landtag wisse, wenn er sich was im Restaurant leiste – wovon Stegner selbst vielleicht nur träume. (ddp)
     
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