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Nachricht vom 18.08.2017 |
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Region |
Würdigung für 25 Jahre Betreuungsrecht und die Arbeit der AWO |
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Vor 25 Jahren trat das Betreuungsgesetz in Kraft. Gleichzeitig wurde der Betreuungsverein AWO Altenkirchen und vor 10 Jahren der Betreuungsverein der AWO Sieg-Westerwald gegründet. Diese Jubiläen wurden am Donnerstag, den 17. August, gebührend in der Betzdorfer Stadthalle gefeiert. Prof. Dr. Tobias Fröschle von der Universität Siegen hielt einen interessanten Gastvortrag. |
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Betzdorf. Am 1. Januar 1992 ist das Betreuungsgesetz in Kraft getreten. Dieses hilft Menschen, die aufgrund psychischer Krankheiten oder körperlicher, geistiger oder seelischer Störungen ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst regeln können. In der Zeit vor dem Gesetz wurden diese Menschen oft entmündigt. Das Wesen der Betreuung besteht nun jedoch darin, dass für eine volljährige Person eine Betreuerin oder ein Betreuer bestellt wird, der in einem genau festgelegten Umfang für sie handelt. Das Selbstbestimmungsrecht des betroffenen Menschen soll dabei gewahrt bleiben, soweit dies möglich und seinem Wohl zuträglich ist. Seine Wünsche sind in diesem Rahmen ebenfalls zu beachten. Das Betreuungsgesetz wird vor allem für alte Menschen zunehmend von Bedeutung sein, denn ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung wird sich in den kommenden Jahren aufgrund der demographischen Entwicklung wesentlich erhöhen.
Im selben Jahr, in dem das Betreuungsgesetz verabschiedet wurde, gründete man auch den Betreuungsverein Arbeiterwohlfahrt (AWO) Altenkirchen. Im Jahr 2007 kam dann noch der Betreuungsverein der AWO Sieg-Westerwald hinzu. Aus diesen Anlässen wurde am Donnerstag, den 17. August in der Betzdorfer Stadthalle gefeiert. Milena Lenz umrahmte die Veranstaltung musikalisch und sang zum Einstieg die Kreishymne. Horst Klein, Vorsitzender des Betreuungsvereins Altenkirchen und stellvertretender Vorsitzender des Betreuungsvereins Sieg-Westerwald, begrüßte die Gäste. In seiner Rede hob er vor allem die ehrenamtlichen Helfer hervor, die der „Goldstaub“ seien, der die Vereine zum glänzen bringt. Klein moderierte anschließend den Abend.
Staatsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler beeindruckte die Gäste mit ihrer Rede. Sie umschrieb das Betreuungsgesetz als wegweisende Reform, die die Entmündigung abgelöst hatte. Stand 31. Dezember 2015 gibt es 1,3 Millionen Betreuungsverfahren, doch diese werden immer nur als letztes Mittel eingesetzt, beteuerte Bätzing-Lichtenthäler. Sie sprach aber auch das gut funktionierende Netzwerk zwischen örtlicher und auf Landesebene befindlichen Betreuungsvereine und Gremien an und bedankte sich für das Ehrenamt, das ein wichtiger Aspekt der Betreuung darstellt sowie die gelebte Solidarität verdeutlicht. Dies wurde mit einem Applaus gewürdigt. Die Betreuungsvereine sind somit das Sprachrohr des Ehrenamts, der Behörden und der Justiz und damit überaus wichtig. Dass es noch keine zeitgemäße Anpassung der Vergütung gibt, bedauert Bätzing-Lichtenthäler jedoch. Sie versprach sich weiter einzusetzen.
„Was soll ich jetzt noch sagen“, fing MdL Heijo Höfer verschmitzt seine Begrüßungsrede an. „Es wurde eigentlich schon alles gesagt.“, fügte er hinzu. Höfer sprach ebenfalls die Finanzierung und die Vergütung an, die angepasst werden müsste, doch aufgrund der Koalition im Landtag sei eine Einigung schwierig und langwierig. Er möchte dies jedoch ebenfalls unterstützen.
Darüber hinaus gratulierte Kreisabgeordneter Klaus Schneider zum 25-jährigen Jubiläum. Er übergab einen Scheck an den Vorsitzenden Klein. Schneider ist von der guten Zusammenarbeit zwischen den Vereinen, den Behörden und dem Gericht beeindruckt. Zudem bedankt er sich beim Ehrenamt, ohne das die Kosten sonst deutlich höher ausfallen würden, aber auch den Einsatz der Familien lobte er. Des Weiteren bemerkte Schneider, dass die Betreuungsvereine auch fachlich sehr gut aufgestellt sind. Eine Zusammenarbeit mit der Universität Siegen ermöglicht dies.
Bürgermeister Bernd Brato zitierte Willi Brandt: „In der AWO verbindet sich die Hilfe für den Einzelnen mit dem Engagement für eine Politik der sozialen Demokratie.“ Alles greift ineinander und die Leistung der Betreuungsvereine ist der Kitt der Gesellschaft. Schließlich würde die Digitalisierung Opfer bringen und die demographische Entwicklung komme noch hinzu, meinte Brato. Er wünscht den Vereinen noch ein schönes Jubiläum. „Feiert richtig, ihr habt es verdient.“, sagte er abschließend.
Milena Lenz sang das Lied „die Gedanken sind frei“. Anschließend hielt Geschäftsführer Dr. Holger Ließfeld einen Vortrag über die Geschichte der Vereine. Die AWO arbeitet für die Menschen, deren Möglichkeiten eingeschränkt sind. Vertrauen ist dabei die Grundlage. Auch in schwierigen Situationen behalten die Vereinsmitglieder einen kühlen Kopf. Doch alles begann 1992 in der Bahnhofstraße in Betzdorf. Ein Jahr später gab es eigene Räumlichkeiten in Daaden. Später wurden konkrete Anlaufstellen in Altenkirchen und 2007 dann in Betzdorf geschaffen. Einige Projekte scheiterten leider an der Finanzierung, aber die Betreuungsvereine machen immer weiter. Früher war nicht alles besser, aber die Geschichte ist wichtig für die Gegenwart und die Zukunft, betonte Ließfeld. Erst die Erfahrung aus den 25 Jahren macht die fundierte Arbeit möglich, doch es gilt weiter zu lernen. „Lernen ist wie rudern gegen den Strom, hört man damit auf treibt man zurück.“, sagte Ließfeld und zitierte den Komponisten Benjamin Britten. „25 Jahre sind nicht genug“, fügte er hinzu. Ließfeld forderte außerdem, dass das Land Rheinland-Pfalz im Bundestag einen Antrag stellen sollte, das Gesetz zur Ehegattenbeistandschaft und der Vergütungsanpassung auf die Tagesordnung des Bundesrates am 22. September zu nehmen, um es diskutieren und abstimmen zu können.
Anschließend hielt Prof. Dr. Tobias Fröschle von der Universität Siegen einen Vortrag darüber wie sich das Betreuungsrecht entwickeln müsste, um gerechter zu werden. Fröschle beschrieb das Betreuungsrecht als nie endende Baustelle. Daher ist es nicht leicht dies zu beantworten. Die BGH-Fälle von 2000 und 2008 sind bis heute ungelöst. Rund 20 Jahre wurde diskutiert, ohne Schwächen des Gesetzes annähernd zu lösen. Eine ist beispielsweise, dass der Betreuer nicht einfach die Wohnung des zu Betreuenden betreten darf, ohne seine Erlaubnis. Fröschle bemerkte dabei, dass der Vermieter, oder der Wasser- sowie Stromableser jedoch dieses Recht besitzen und dies daher etwas kontrovers sei. Zudem kritisierte er, dass das Gesetz den Beruf des Betreuers nicht anerkennt und auch die gesetzlich festgelegte Vergütung nicht zur Qualität der Betreuung beitrage. Wenn festgelegt wird, dass ein Schnitzel immer 8,50 Euro zu kosten hat, dann ist die Qualität des Schnitzels dem Restaurant egal, verbildlichte Fröschle die Situation. Die Qualität der Arbeit des Betreuers zu messen stellt jedoch eine Herausforderung dar. Schließlich handelt es sich um ein sehr mannigfaltiges Arbeitsumfeld. Außerhalb von Schubladen zu denken ist dafür also erforderlich. Letztendlich stellt sich Fröschle in Zukunft ein völlig anderes Betreuungsgesetz vor, als das derzeitige.
Klein ist jedoch mit der Umschreibung des Gesetzes als Baustelle nicht einverstanden. Er intervenierte und möchte es lieber als unfertiges Haus bezeichnen, in das man jedoch bereits einziehen kann. Die Politiker stellen die Handwerker dar, die es noch fertig stellen müssen.
Anschließend lud Eva Maria Fuchs, Vorsitzende des Betreuungsvereins Sieg-Westerwald und stellvertretende Vorsitzende des Betreuungsvereins Altenkirchen zum Buffet ein. Lange Gespräche und Diskussionen folgten. (jkh)
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Nachricht vom 18.08.2017 |
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