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Nachricht vom 14.01.2018 |
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Region |
Gutachten vorgelegt: Keine Windräder im Wildenburger Land |
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Der Morsbacher Ornithologe Christoph Buchen hat in Zusammenarbeit mit dem Biologielehrer Horst Braun aus Friesenhagen-Steeg ein 182 Seiten umfassendes Artenschutzgutachten mit 162 Abbildungen für das Morsbacher Bergland, zu dem auch das Wildenburger Land zählt, erstellt. Das Gutachten wurde der Kreisverwaltung Altenkirchen, der VG Kirchen und der Ortsgemeinde Friesenhagen kürzlich überreicht. |
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Friesenhagen. In den Gemeinden Friesenhagen, Reichshof und Morsbach sind 18 Windindustrieanlagen mit einer Höhe von rund 200 Metern geplant. Um die möglichen Auswirkungen dieser Anlagen auf die heimische Tierwelt zu dokumentieren, hat der Morsbacher Ornithologe Christoph Buchen in Zusammenarbeit mit dem Biologielehrer Horst Braun aus Friesenhagen-Steeg ein 182 Seiten umfassendes Artenschutzgutachten mit 162 Abbildungen für das Morsbacher Bergland, zu dem auch das Wildenburger Land zählt, erstellt. Dieses Gutachten wurde jetzt der Kreisverwaltung Altenkirchen, der Verbandsgemeinde Kirchen und der Ortsgemeinde Friesenhagen überreicht.
Christoph Buchen erforscht die Tier- und Pflanzenwelt des Wildenburger Landes mit den potentiellen Windindustrieanlagen-Flächen seit genau 50 Jahren systematisch. Horst Braun beschäftigt sich ebenfalls seit vielen Jahren mit der Natur seiner Heimatgemeinde und kartiert die Tierarten. Beide Fachleute haben besonders in den Jahren 2015 bis 2017 zehn planungsrelevante und Windkraft sensible Tierarten beispielhaft untersucht, vier Fledermausarten und sechs Vogelarten. Unterstützt wurden sie dabei von 96 Hinweisgebern aus der Bürgerschaft. Das Fazit der beiden Naturwissenschaftler ist eindeutig: Den geplanten Windindustrieanlagen und der Ausweisung von Vorrangflächen für Windindustrieanlagen stehen im Wildenburger Land unter anderem die Vorkommen seltener Tierarten entgegen. Die Arten würden durch diese Anlagen in ihrem Lebensraum beeinträchtigt, und es wäre in der Zukunft ein negativer Trend auf die Bestandssituation der Arten wahrscheinlich. Die geschützten Individuen sehen sich sogar einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko ausgesetzt, sollten die Windindustrieanlagen tatsächlich genehmigt werden.
Folgende Untersuchungsergebnisse sprechen gegen die Errichtung von Windindustrieanlagen bzw. die Ausweisung von Vorrangflächen für Windindustrieanlagen:
Das Große Mausohr ist eine seltene Fledermausart von europäischer Bedeutung und überwintert regelmäßig im Bereich der geplanten Windindustrieanlagen. Durch Ringablesungen konnte festgestellt werden, dass die hier überwinternden Mausohren jedes Jahr aus Hessen kommen und dabei eine Strecke von 60 Kilometern zurücklegen. Auch hat die Art im Wildenburger Land sein traditionelles Paarungsrevier, und es werden benachbarte Wochenstuben beschrieben.
Für die ebenfalls seltene Bechsteinfledermaus verläuft die nordwestliche Verbreitungsgrenze in Deutschland im Bereich des Wildenburger Landes. Der erste Winterquartiernachweis der Bechsteinfledermaus für das gesamte Bergische Land stammt aus der Nähe von Morsbach, wo die Art von 1990 bis heute immer wieder regelmäßig nachgewiesen werden konnte. In mindestens vier Winterquartieren des Morsbacher Berglandes sind Bechsteinfledermäuse festgestellt worden. Beobachtungen und Netzfänge lassen vermuten, dass sich diese Art in den hiesigen Wäldern auch fortpflanzt.
Der Große Abendsegler ist ebenfalls in dem Gebiet festgestellt worden, unter anderem ein beringtes Männchen aus Sachsen-Anhalt. Dies lässt vermuten, dass sich die Art als Fernstreckenzieher im waldreichen Wildenburger Land zur Paarung trifft. Das Vorkommen müsste noch ganzjährig weiter untersucht werden. Das Gleiche gilt für den Kleinen Abendsegler, von dem in diesem Gebiet ebenfalls Vermehrungsnachweise vorliegen, die ersten für das gesamte Bergische Land.
Das Morsbacher Bergland bildet seit den 1990er Jahren das Kerngebiet des noch in Ausbreitung befindlichen Brutvorkommens des Schwarzstorches im rechtsrheinischen Schiefergebirge. Im Wildenburger Land sind in den Jahren 1991 bis 2017 von 45 Brutpaaren mindestens 102 Jungstörche in mindestens 15 verschiedenen Horsten aufgezogen worden. Für die Jahre 2015 bis 2017 sind 290 Flugbewegungen jeweils mit Datum, Uhrzeit, Anzahl und Flugrichtung des Schwarzstorches in diesem Gebiet akribisch dokumentiert und in Landkarten übertragen worden. Die Daten lassen den Schluss zu, dass für die Schwarzstörche durch die Genehmigung von Windindustrieanlagen ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko entstehen wird. Außerdem verbieten sich Windindustrieanlagen nach dem Helgoländer Papier II in einem Radius von 3,0 km rund um einen besetzten Schwarzstorchhorst, was auch noch bei den jüngsten Horsten der Jahre 2015 bis 2017 der Fall ist.
Das Wildenburger Land ist für den Schutz des Rotmilans von überregionaler Bedeutung. Im Morsbacher Bergland sind in den Jahren 2015 bis 2017 22 besetzte Rotmilanhorste dokumentiert worden. Darin sind insgesamt mindestens 32 Jungvögel aufgezogen worden. Brutverdacht bestand im gleichen Zeitraum für weitere 11 Bereiche. Im Wildenburger Land und in seinen Nachbarbereichen sind von 2015 bis 2017 2.870 Flugbewegungen jeweils mit Datum, Uhrzeit, Anzahl und Flugrichtung dokumentiert worden. Sie lassen den Schluss zu, dass im gesamten Wildenburger Land Rotmilane einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko ausgesetzt sind, falls Windindustrieanlagen genehmigt werden. Ausnahmegenehmigung wären unzulässig. Außerdem verbieten sich Windindustrieanlagen in einem Radius von 1,5 km rund um einen besetzten Rotmilanhorst, was auch noch bei den aktuellen Horsten der Jahre 2015 bis 2017 der Fall ist. Die tödliche Kollision eines Rotmilans 2016 mit einer Windindustrieanlage im Morsbacher Bergland wird in dem Gutachten beschrieben.
Ebenfalls wird herausgearbeitet, dass das Morsbacher Bergland ein Dichtezentrum für den Rotmilan darstellt. Im Wildenburger Land und seinen Nachbarbereichen kamen von 2015 bis 2017 14,3 Rotmilan-Horste auf 100 Quadratkilometer bzw. 10,4 Rotmilan-Brutpaare auf 100 Quadratkilometer. Das sind rund 4-5 Revierpaare auf 34 Quadratkilometer.
Sowohl der Schwarzmilan als auch der Wespenbussard konnten in den Jahren 2016 und 2017 als Brutvögel im Morsbacher Bergland nachgewiesen werden. Beide Arten sind planungsrelevant und müssten noch intensiver untersucht werden. Das Haselhuhn, das noch bis in die 1990er Jahre im Morsbacher Bergland vorkam, ist 2016 und 2017 wieder unmittelbar östlich im Raum Freudenberg nachgewiesen worden. Dadurch ist eine künftige Wiederbesiedlung des Wildenburger Landes nicht auszuschließen, zumal potentielle Haselhuhn-Habitate hier vorhanden sind.
Das Morsbacher Bergland liegt genau in der Mitte der etwa 300 Kilometer breiten Zugstraße des Kranichs quer durch Westdeutschland. Christoph Buchen registriert seit 50 Jahren die Kranichzüge, die das südlichen Bergische Land überfliegen bzw. hier rasten. In der Zeit von Herbst 1967 bis Frühjahr 2017 hat er insgesamt 3.093 Kranichtrupps mit 344.136 Kranichen im Morsbacher Bergland dokumentiert, das sind rund 6 Prozent der westlich ziehenden europäischen Kraniche. Auch wurden rastende Kraniche fotografiert. Wie dokumentiert werden konnte, geraten Kraniche wetterbedingt bei schlechter Sicht hier auch schon mal in einen Zugstau, was die Vögel zum Tiefflug oder Rasten zwingt. Das Morsbacher Bergland mit dem Planungsgebiet ist daher ein wichtiger Trittstein und bedeutendes Überfluggebiet des westeuropäischen Kranichs. Hier könnten die geplanten Windindustrieanlagen sehr wohl eine Gefahr für die ziehenden und rastenden Kraniche darstellen.
Ausschlusskriterien für Windindustrieanlagen sind auch das Naturschutzgebiet Aubachtal/Siefener Höhe in der Gemeinde Reichshof und die Ausweisung des Wildenburger Land als bedeutendes Vogelschutzgebiet Deutschlands (Important Bird Area = kurz: IBA). Das hiesige IBA-Gebiet beherbergt Rotmilane und Schwarzstörche, die in ihrem Bestand bedroht bzw. die in ihrer Verbreitung begrenzt sind und für die bestimmte Regionen eine besondere Verantwortung haben. IBA bilden das Rückgrat des gebietsbezogenen Vogelschutzes im nördlichen Kreis Altenkirchen.
Christoph Buchen und Horst Braun stellen in ihrem detaillierten und bebilderten Artenschutzgutachten am Ende fest: „Aufgrund des Vorkommens seltener Tierarten ist das Wildenburger Land frei von Windindustrieanlagen zu halten. Die geschützten Arten wären einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko ausgesetzt, sollten Windindustrieanlagen in Zukunft tatsächlich dort genehmigt werden.“ Außerdem betonen sie: „Wir werden die bisherigen Horstbäume ganzjährig im Auge behalten und nach neuen Horsten Ausschau halten. Die wissenschaftlichen Kartierungen werden auch 2018 fortgesetzt.“ (PM BI Bürgerinitiative Wildenburger Land)
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Nachricht vom 14.01.2018 |
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