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Nachricht vom 04.08.2018 |
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Politik |
Windenergie auf der Kalteiche: Todesfalle für den Rotmilan? |
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Die Naturschutzinitiative e. V. (NI) mit Sitz im Westerwaldort Qurinbach und die Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) NRW schlagen Alarm: Der erneute Zufallsfund eines toten Rotmilans auf der Kalteiche bei Wilnsdorf legt nach Ansicht der Verbände die Vermutung nahe, dass die Zahl der durch Windenergieanlagen getöteten Tiere in diesem Gebiet hoch ist. Sie fordern einen sofortigen Betriebsstopp für die Windenergieanlagen am „Biologischen Hotspot“ Kalteiche. |
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Wilnsdorf/Region. Erneut wurde vor kurzem auf der Kalteiche in der Gemeinde Wilnsdorf und damit im Dreiländereck von Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ein getöteter Rotmilan unter einer Windindustrieanlage gefunden. Darüber informieren die Naturschutzinitiative e. V. (NI) mit Sitz im Westerwaldort Qurinbach und die Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) NRW. „Dieses ist schon das zweite der NI bekannte Schlagopfer dieser streng geschützten Art nach 2017, das wir zufällig bei unseren Begehungen auf dem Höhenzug der Kalteiche an den bestehenden drei Windenergieanlagen (WEA) gefunden haben,“ berichtet Peter Draeger, Fachbeirat der NI aus Wilnsdorf. „Da weder NRW noch Hessen ein systematisches Totfundmonitoring eingerichtet haben und Kadaver oft schnell durch andere Tiere fortgetragen werden, muss von einer weitaus höheren Schlagopferzahl in diesem Windindustriegebiet ausgegangen werden“, befürchtet Diplom-Biologe Immo Vollmer, Naturschutzreferent der NI.
„Hoch schlaggefährdeter Anlagetyp“
Diese Befürchtung sei auch begründet, so Vollmer weiter: „Wie uns von der bundesweiten Meldestelle für Windkraft-Schlagopfer an der Vogelschutzwarte Brandenburg mitgeteilt wurde, ist die hiesige WEA mit 85 Metern Turmhöhe und einem Rotordurchmesser von 100 Metern als ein hoch schlaggefährdeter Anlagetyp einzustufen, der den Luftraum schon knapp über dem Waldschirm durchschneidet.“ Nach dem aktuellen Stand der Schlagopferdatei führen der Rotmilan mit 420 und der Mäusebussard mit 543 gemeldeten Totfunden die Schlagopferliste an. Für den Rotmilan stellen Windindustrieanlagen mittlerweile die Todesursache Nr. 1 dar. Laut aktueller „Progress-Studie“ werden jedes Jahr 1000 bis 1200 Rotmilane durch Windindustrieanlagen getötet. Diese Zahl ist gemäß Pressemitteilung der NI populationsgefährdend: „Denn nach dieser Studie ist es absehbar, dass bei einem weiteren Windkraftausbau die Nachwuchsrate unter die Totschlagsrate sinkt (zusätzlich zu den anderen Todesursachen) und wir langfristig die streng geschützte Art Rotmilan verlieren werden.“
Zu beachten sei, dass es sich bei der Schlagopferdatei ohnehin nur um eine Sammlung von Zufallsfunden mit derzeit 3771 Einträgen handelt, da nur wenige von offizieller Seite aus beauftragte systematische Untersuchungen zu Schlagopfern nach Brandenburg gemeldet würden. Die wirkliche Zahl der in Deutschland durch WEA getöteten Vögel liege demnach erheblich höher, so die NI. „Umso mehr sind wir in Sorge“, so der ortskundige regionale Vertreter und Fachbeirat der NI, Peter Draeger, „da wir im nächsten Umfeld der Anlagen bebrütete Horste der windkraftempfindlichen Arten Schwarzstorch und Wespenbussards kennen.“ Hinzu kommt ein Hinweis auf einen im Nahbereich des „Windparks“ liegenden Rotmilanhorst über einen im Frühjahr dokumentierten Paarungsakt der Art.
„Der Bruterfolg für den Rotmilan dürfte nach dem hier berichteten Totfund wohl ausgefallen sein, denn meist wird nach dem Verlust eines Partners die Brut beim Rotmilan aufgegeben“, so Biologe Immo Vollmer, NI.
NI rechnet mit weiteren Totschlagsfunden
„Gerade in der aktuellen Ausflugszeit der unerfahrenen Jungtiere muss jetzt mit weiteren Totschlagsfunden beim Schwarzstorch und beim Wespenbussard gerechnet werden. Wir fordern die zuständige Kreisverwaltung Siegen/Wittgenstein auf, umgehend eine Abschaltungsverfügung zumindest für die Zeit der Ausflugsphase bis etwa Mitte September zu erlassen“, erklärte Harry Neumann, Landesvorsitzender der NI. Bisher hat diese Kreisverwaltung die Forderungen der NI ignoriert und kommt damit ihrer Verantwortung als Wächter und Garant des Natur- und Artenschutzes nicht nach. Im Gegenteil, sie bedient nach Auffassung der NI einseitig Lobby-Interessen.
„Wir können hier aber nicht untätig zusehen, bis das nächste Schlagopfer zu beklagen ist und versuchen, die Kreisverwaltung mit gerichtlichen Mitteln zu zwingen, dem Artenschutz stärker Rechnung zu tragen. Wir sind der Auffassung, dass die hier vorliegende extreme Gefahrenlage der streng geschützten Vögel sich nicht mit dem Bundesnaturschutzgesetz, schon gar nicht mit dem europäischen Naturschutzrecht vereinbaren lässt“, so Harry Neumann, NI, und Jochen Niemand von der Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU).
Landesweite „Sorglos-Regelungen“, in denen zum Beispiel in dem „Leitfaden Artenschutz und Windenergieanlagen“ der Schwarzstorch im Gegensatz zur allgemeinen fachlichen Auffassung und den Publikationen in den meisten anderen Bundesländern als generell nicht schlaggefährdet eingestuft wird, seien dabei nicht haltbar und nach Auffassung der Verbände rein politisch motiviert. „Die Besiedlung mit diesen Arten ist ein Glücksfall für eine lebenswerte Region und diese Tiere sind genauso vor einer drohenden Gefahr zu schützen, wie wir auch versuchen, unsere Verkehrswege frei von Gefahren für Jedermann zu halten, auch wenn neue ungeplante Situationen entstehen.
„Biologischer Hotspot“ im Dreiländereck
Die Kalteiche sei ein „Biologischer Hotspot“ mit einer großen Anzahl an Fledermausarten im Dreiländereck von Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, ein bedeutender Wanderkorridor unter anderem für Wildkatze, Rotwild, Wolf, Wisent und Luchs und eine wichtige Drehscheibe für den genetischen Austausch. „Daher fordern wir neben einem sofortigen Betriebsstopp der auf NRW-Gebiet stehenden Anlagen auch die hessische Landesregierung und Hessen Forst auf, alle bestehenden Ausbaupläne für neue Windenergieanlagen auf der Kalteiche aufzugeben. Wir würden mit allen Rechtsmitteln dagegen vorgehen“, so Neumann und Niemand. (PM)
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Nachricht vom 04.08.2018 |
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