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Nachricht vom 17.02.2019 |
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Kultur |
Mit dem Nachtwächter auf Streifzug durch Altenkirchen |
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Die Zeit sollte man sich nehmen: Eine Führung durch die Kreisstadt Altenkirchen mit Nachtwächter Günter Imhäuser ist ein ganz besonderes Erlebnis. Es ist ein wahrlich interessanter Exkurs durch die Geschichte: Imhäuser berichtete anfangs, dass die Tätigkeit des Nachtwächters im Mittelalter, und auch noch später, zu den „unehrlichen“ Berufen gehörte, in der Hierarchie befanden sich nur noch der Henker und der Wasenmeister (Bestatter) unter dem Nachtwächter. |
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Altenkirchen. In Altenkirchen ist es Tradition, dass der „Aalekerjer Naachtswächter“ Interessierten die Historie der Kreisstadt nahe bringt. Das letzte Glied in dieser Kette ist Günter Imhäuser, wohnhaft in Michelbach, vor den Toren von Altenkirchen, er ist bekannt unter dem Spitznamen „Immi“. Obwohl in Michelbach wohnhaft, ist er ein echter Altenkirchener, denn dort ging er zur Schule, spielte bei der ASG Fußball und „schuftete“ beim Finanzamt. Zudem war „Immi“ jahrelang Wehrleiter der freiwilligen Feuerwehr in der Verbandsgemeinde. Mehr Heimatverbundenheit geht eigentlich nicht, deshalb ist er geradezu prädestiniert, dem „Job“ des Nachtwächters Leben einzuhauchen.
Kreisausbilder der Feuerwehr zu Gast
Zur Stadtführung hatte sich eine illustre Gruppe angemeldet, die „Immi“ bestens aus seiner Zeit als Wehrleiter bekannt ist: Die Kreisausbilder der freiwilligen Feuerwehren des Landkreises Altenkirchen waren mit einer Frau und 19 stattlichen Männern erschienen. Organisiert und in die Wege geleitet wurde die Stadtführung von Bastian Bierbaum, dem Sprecher der Kreisausbilder.
Die Stadtführung startete abenteuerlich, denn Günter Imhäuser führte die Gruppe – und den nicht schwindelfreien Berichterstatter – über unglaublich steile und enge Treppenstufen in den Glockenturm der evangelischen Kirche von Altenkirchen. Dort, in schwindelerregender Höhe, kann man das Innere des Turms verlassen und von der Außenumrandung aus einen herrlichen Blick auf Altenkirchen und die nähere und weitere Umgebung werfen. So beschwerlich der Aufstieg war, so beschwerlich war auch der Abstieg. Endlich wieder festen Boden unter den Füßen, hatte sich „Immi“ in Schale geworfen, gekleidet und ausgestattet mit den Utensilien wie ein richtiger Nachtwächter, die Hellebarde zur Abwehr und Verteidigung, ein großer Hut und eine Laterne.
Interessanter Exkurs durch die Geschichte
Nun begann ein wahrlich interessanter Exkurs durch die Geschichte der Stadt Altenkirchen. Imhäuser berichtete anfangs, dass die Tätigkeit des Nachtwächters im Mittelalter, und auch noch später, zu den „unehrlichen“ Berufen gehörte, in der Hierarchie befanden sich nur noch der Henker und der Wasenmeister (Bestatter) unter dem Nachtwächter. Seine Aufgabe war es vordergründig, für Recht und Ordnung bei Nacht zu sorgen. Bei seinem Rundgang achtete er darauf, dass die Haustüren und die Stadttore ordnungsgemäß verschlossen waren, um die Bewohner vor Dieben und sonstigen unerwünschten Eindringlingen zu warnen und zu schützen. Weitere Aufgaben waren häufig das Ansagen der Stunden sowie, bei Bedarf Feueralarm zu schlagen.
Günter Imhäuser berichtete weiter, dass in Altenkirchen nur sehr wenig Zeugnisse aus den vergangenen Jahrhunderten vorhanden sind, da die Stadt von mehreren Großbränden und durch den Zweiten Weltkrieg mehrmals dem Erdboden gleich gemacht wurde. Im Jahr 1361 ist festgehalten, dass der damalige Erzbischof von Köln die befestigte Stadt Altenkirchen zerstörte und brandschatzte. Ein Großbrand vernichtete 1728 bis auf die Kirche und das Schloss fast den gesamten Ort. Der nächste Großbrand zerstörte Altenkirchen 1893, auch die evangelische Kirche und 59 Wohnhäuser. Im März 1945 flogen die Alliierten vier Präzisionsangriffe in Wellen gegen Altenkirchen, warfen dabei rund 540 Tonnen Bomben ab, dadurch verloren bis zu 300 Bewohner ihr Leben. Dieses Bombardement war der Tatsache geschuldet, dass in Altenkirchen kurzfristig ein deutsches Hauptquartier eingerichtet war, von dem aus der Widerstand im Kampf um die Brücke von Remagen organisiert wurde. Da Altenkirchen durch diese Angriffe fast vollständig ausradiert wurde, sind praktisch keine oder nur sehr wenige historische Bausubstanzen vorhanden. Aus diesem Grund ist die heutige Kreisstadt nach dem Krieg praktisch vollkommen neu erbaut worden.
Allerlei Anekdoten und Geschichten
Beim weiteren Rundgang führte „Immi“ die Gruppe zu den ältesten Häusern von Altenkirchen, dem Haus Sälzer (1602), dem Gewandhaus (1663) und der Privilegierten Apotheke (1699). Imhäuser unterlegte seine Beschreibungen mit allerlei Anekdoten und Geschichten, denen man aber nicht allen Glauben schenken musste. Beeindruckend war die Schilderung eines „Oberbeamten“ aus dem Jahre 1670 an den Herzog Johann Georg I. von Sachsen-Weimar-Eisenach, der den Zustand der Bewohner so beschrieb: „Sie thun fast Nichts als freßen und saufen, müßiggehen, plaudern und sich untereinander zanken. Bilden ihnen viel ein und wissen doch nicht, wie sie sich der guten Gelegenheit des Ortes gebrauchen sollen“. Da nicht alle Mitglieder der Gruppe aus Altenkirchen kamen, wurde die Frage gestellt, ob sich bis heute an dieser Einschätzung etwas geändert habe.
Beeindruckend war auch die Schilderung der hygienischen Zustände vor Jahrhunderten, als die Oberstadt den Inhalt ihrer „Pisspötte“ in die Gassen mit Gefälle kippte und die Exkremente bei Regen in den unteren Teil von Altenkirchen gespült wurden. So reihte sich Geschichte an Geschichte und die Zeit verging wie im Fluge. „Immi“ durfte am Ende der Stadtführung den anerkennenden Beifall der Gruppe entgegennehmen, da es ihm gelang, die meist trockene Materie der Geschichte mit Wissen und Humor zu garnieren, so dass alle bis zum Ende interessiert seinen kurzweiligen Ausführungen folgten. (wear) |
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Nachricht vom 17.02.2019 |
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