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Nachricht vom 17.03.2019
Region
Theodor Maas gibt dem Gemeindehaus seinen neuen Namen
Das „Forum“, das frisch renovierte Gemeindezentrum der Evangelischen Kirchengemeinde Altenkirchen, erhält zeitgleich mit seiner Wiedereinweihung am 24. März auch einen neuen Namen: Einstimmig hat das Presbyterium beschlossen, die Räumlichkeiten in „Theodor-Maas-Haus“ umzubenennen. Erinnert wird damit an den ehemaligen Altenkirchener Gemeindepfarrer Theodor Maas ( (1878-1943) , der von 1921 bis 1943 in Altenkirchen wirkte.
Gemeindepfarrer Theodor Maas mit seiner Familie im Pfarrgarten in Altenkirchen. (Foto: privat)Altenkirchen. Am Sonntag, den 24. März, ist es so weit: Das „Forum“, das frisch renovierte Gemeindezentrum der Evangelischen Kirchengemeinde Altenkirchen, erhält zeitgleich mit seiner Wiedereinweihung auch einen neuen Namen: Einstimmig hat das Presbyterium beschlossen, die Räumlichkeiten in „Theodor-Maas-Haus“ umzubenennen. Erinnert wird damit an den ehemaligen Altenkirchener Gemeindepfarrer Theodor Maas (1878-1943), der von 1921 bis 1943 in Altenkirchen wirkte und unter dem NS-Regime aufgrund seiner jüdischen Ahnen zahlreiche Schikanen – auch aus seinem Kollegen-Umfeld – erlitt und im März 1943 unter ungeklärten tragischen Umständen starb.

Symbolische Umbenennung nach dem Gottedienst
Die Namensänderung wird durch einen feierlichen Sonntags-Gottesdienst um 10 Uhr in der Christuskirche eingeleitet. Prediger im Gottesdienst wird der gleichnamige Enkel von Theodor Maas, Pfarrer in Aachen, sein. Musikalisch wirken Kreiskantor Johann-Ardin Lilienthal und die Kantorei der Christuskirche sowie die jüdische Kantorin Avitall Gerstetter aus Berlin mit. Im Anschluss an den Gottesdienst gibt es im Gemeindezentrum die symbolische Umbenennung. Nach einem gemeinsamen Mittagessen folgt ab 13.30 Uhr ein kleines Fest mit Musik, Gästen und Unterhaltungs- und Informationsprogramm. Unter anderem erfolgt die Verleihung des Theodor-Maas-Preises, den der Evangelische Kirchenkreis Altenkirchen nach 2017 nun bereits zum zweiten Mal an Schülerinnen und Schüler aus dem Kreis Altenkirchen für besondere Leistungen im Fach „Evangelische Religion“ verleiht. Bereits am Samstag, 23. März, 19 Uhr, gibt die jüdische Kantorin Avitall Gerstetter, ein Konzert in der Christuskirche.

Die Lebensgeschichte von Pfarrer Maas erforscht
Theodor Maas war vom Mai 1921 bis zum 3. März 1943 Pfarrer in der vormals reformierten Pfarrstelle im II. Bezirk in der evangelischen Kirchengemeinde Altenkirchen. Als äußerst beliebter Seelsorger gestaltete er zusammen mit seiner musikalisch hoch begabten Frau Babette (geb. Kolb) das Gemeindeleben vor Ort in schweren Zeiten: Weltwirtschaftskrise, Inflation, nationalsozialistische Bedrückung und Zweiter Weltkrieg wechselten einander ab.

Umfangreiche Dokumentation erarbeitet
2015 beauftragte die Kirchengemeinde Altenkirchen und der Kirchenkreis das Schulreferat des Kirchenkreises mit einer neuen Recherche zu Pfarrer Theodor Maas. Schulreferent Pfarrer Martin Autschbach, der bereits vor Jahren intensiv über den ehemaligen Altenkirchener Theodor Maas geforscht hatte, stellte mit Hilfe zahlreicher Zeitzeugen und mit der intensiven Unterstützung des Enkels von Maas – er heißt ebenfalls Theodor Maas und ist Klinikpfarrer im Kirchenkreis Aachen – eine umfangreiche Dokumentation zusammen . Diese knüpft an wegweisende Veröffentlichungen aus den 80er Jahren von Hildegard Ottweiler an, ergänzt diese aber um eine Vielzahl neuer Details. Aktenfunde im Archiv des Landeskirchenamtes in Düsseldorf, bisher unbekannte Gestapo-Unterlagen und viele Interviews mit ehemaligen Konfirmandinnen komplettieren die bisherigen Kenntnisse.

So stellt sich den Dokumentatoren die Geschichte dar:
Da Theodor Maas väterlicherseits jüdische Ahnen besaß, wurde er ab 1933 als „Mischling ersten Grades“ zunehmend und schließlich systematisch schikaniert, nicht nur von den örtlichen Instanzen der NSDAP und den Verwaltungsorganen der Stadt, sondern auch von seinem damaligen Amtsbruder Pfarrer Ludwig Heckenroth, der Inhaber der vormals lutherischen Pfarrstelle war. Eine Kette von Denunziationen und Verleumdungen folgten, die Beschattung und Bespitzelung seiner Amtshandlungen und aller Gottesdienste waren an der Tagesordnung und hatten ein Ziel: Die Abberufung von Pfarrer Maas aus seiner Stelle in Altenkirchen.

Seine Gegner erreichten, dass er als Religionslehrer aus der höheren Stadtschule ausscheiden musste und im Presbyterium zunehmend isoliert war. Öffentliche Herabsetzungen und Tätlichkeiten bis hin zu Angriffen auf Leib und Leben nahmen in erschreckender Weise zu. Aber allen diesen Anfechtungen zum Trotz blieb Pfarrer Maas standhaft. Er wurde Mitglied der Bruderschaft der Bekennenden Kirche (BK) im Kirchenkreis. Seine Mitbrüder aus der BK stärkten ihm in der Auseinandersetzung mit seinem nationalsozialistisch orientierten Amtsbruder vor Ort den Rücken. Durch Eingaben und zähe Verhandlungen mit dem Konsistorium in Düsseldorf gelang es Pfarrer Maas und seinen Verbündeten sogar, dass der gegen ihn fortlaufend Intrigen schmiedende Pfarrer Heckenroth seinen Ruhestand früher als geplant antreten musste. Dies war aber ein zeitlich befristeter Erfolg.

Schon vor Kriegsbeginn kam es fortlaufend zu Gestapo-Verhören in Koblenz, die auch mit körperlicher Gewalt einhergingen. Aber auch diese Maßnahmen konnten Pfarrer Maas nicht brechen. Er erteilte in wechselnden Privathäusern Religionsunterricht, weil sich nationalsozialistische Volksschullehrer weigerten, das Fach weiterhin zu unterrichten.

In uns überlieferten Predigten ist seine widerständige Geisteshaltung und die Kritik am Krieg und dem nationalsozialistischen Regime greifbar. Pfarrer Maas besuchte ab November 1938 regelmäßig die völlig verarmte Familie Löbl, die ebenfalls jüdische Wurzeln hatte und unterstützte sie mit Nahrungsmitteln. Nach einem Brandanschlag auf das Pfarrhaus und der anonymen Zustellung eines Leichenkranzes wurde Pfarrer Maas am 2. März 1943 auf dem Rückweg von einem abendlichen Besuch an der Kreuzung Kumpstraße Kölner Straße von einem LKW angefahren und so schwer verletzt, dass er am folgenden Morgen starb. Die wahren Todesumstände wurden verschleiert. Als Todesursache attestierte man „Schlaganfälle“. Dass diese wohl Folgen eines Schädelbasisbruchs waren, blieb unerwähnt.

Mehrere Zeitzeugen äußerten noch in den 80er Jahren unabhängig voneinander, dass es sich um einen gezielten Anschlag örtlicher Nationalsozialisten gehandelt habe, die den LKW steuerten. Obwohl nur der engste Familien- und Freundeskreis die wahren Gründe und Umstände seines Todes wussten, nahmen 1.000 Menschen – evangelische und katholische Christen – an der Beerdigung von Pfarrer Theodor Maas teil. Die Beerdigung wurde von örtlichen Nationalsozialisten heftig gestört.

Ehemalige Konfirmandinnen und Konfirmanden behielten ihren Pfarrer und seine tapfere Frau Babette bis heute in guter Erinnerung. Mitglieder des Presbyteriums, viele Zeitzeugen und die Familie Maas erreichten 1986, dass seine Grabstätte auf dem Waldfriedhof nach einer Kette von Eingaben an die Stadtverwaltung erhalten blieb. Eine Gedenktafel erinnert seit 1988 am Eingang der Christuskirche an ihn.


Bekenntnis zur Geschichte
„Wenn die Evangelische Kirchengemeinde Altenkirchen das Forum in ‚Theodor-Maas-Haus‘ umbenennt, bekennt sie sich bei jeder Nutzung dieses Versammlungsorts zu einem besonderen Teil ihrer Geschichte“, unterstreicht Pfarrer Martin Autschbach: Die Erinnerung an einen tapferen Pfarrer, der unvergessen blieb, weil er im Unterschied zu vielen anderen zähen Widerstand gegen ein verbrecherisches Regime leistete, gewinnt Alltagsgehalt und wird zum Anlass fortlaufenden Gedenkens. Die Erinnerung an Pfarrer Theodor Maas erhält auf diese Weise einen Ort, an dem mit jungen und alten Gemeindegliedern immer wieder bedacht werden kann, warum dieser Treffpunkt der Gemeinde so heißt. „Es geschieht somit exakt das Gegenteil von dem, was rassistisch und antisemitisch eingestellte Personenkreise 1943 planten. Sie wollten Pfarrer Theodor Maas und seine Geschichte auslöschen und totschweigen. Dies wird ihnen auch fortan nicht gelingen!“ (PM)
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