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Nachricht vom 11.03.2020
Region
75 Jahre Kriegsende: Mut für Freiheit und Demokratie einzustehen
Während vor 75 Jahren im Ruhrkessel schon Friedensverhandlungen stattfanden, wurde in Wissen, am Südende des Ruhrkessels, noch einmal verheerend gebombt. An diesem schrecklichen 11. März 1945 um 17:50 Uhr heulten die Motoren der amerikanischen Fliegerstaffel über der Siegstadt, warfen mehr als 1000 Bomben ab und hinterließen ein Inferno. Ein Schicksal, das für immer in die Geschichte eingehen sollte.
Berno Neuhoff heißt die Gäste herzlich willkommen. (Fotos: KathaBe)Wissen. Mit erinnernden Worten eröffnete Stadtbürgermeister Berno Neuhoff die Gedenkfeier „75 Jahre Kriegsende“ am Mittwoch (11. März) um 10 Uhr im Kulturwerk. Rund 60 Schüler des Kopernikus-Gymnasiums aus dem Leistungskurs Geschichte der Stufen 11 und 12 sowie zwei Klassen der Marion-Dönhoff-Realschule plus (10b, 10c) mit ihren Lehrern hatten sich gemeinsam mit Neuhoff, weiteren Vertretern der Stadt und auch Heimatforscher Bruno Wagner im Kulturwerk eingefunden, um den vielen Opfern, Gefallenen, Vermissten und den Zwangsarbeitern, die im ehemaligen Zwangsarbeiterlager „Auf der Bornscheidt“ inhaftiert waren, zu gedenken und ihrer zu erinnern.

Zeitzeugen-Berichte hinterließen nachdenkliche Gesichter
Im 2015 erstmals veröffentlichten und nun auch zur aktuellen Gedenkfeier gezeigten Film „70 Jahre Kriegsende“ (NachtSchicht V 2015) lauschten die Gäste gebannt den Berichten der Zeitzeugen aus Wissen, die die schrecklichen Ereignisse während der Kriegszeit und auch insbesondere vom 11. März 1945 beschrieben. Aussagen der Zeitzeugen aus dem Film, von denen einige schon nicht mehr leben, wie „wir sind tagelang im Walzwerkbunker geblieben“, „wir waren steif vor Angst“ und „wenn die Flieger so brummten, dann hieß es laufen“, hinterließen nachdenkliche Gesichter bei den Zuschauern. Die Berichte über die Toten, die auf den Alserberg gefahren wurden und erst Tage später in ausgehobenen Massengräbern beerdigt werden konnten, zeigten das Ausmaß des damaligen Geschehens und schafften Betroffenheit. Dem Schicksal der über 1500 Zwangsarbeiter, die während der Kriegszeit teilweise von deutschen Truppen unter anderem aus Russland „einfach von der Straße weg“ hierher verschleppt wurden, um auch in der Waffenindustrie im Walzwerk unter unmenschlichen Verhältnissen zu arbeiten, fanden in den Schilderungen ebenfalls ihren Platz.

Referate über das Leben der Zwangsarbeiter – Menschenwürde genommen
Insbesondere den Zwangsarbeitern widmeten sich drei Schüler des Kopernikus-Gymnasiums (Laura Dahlmann, Paula Sigesmund und Matthias Unruh) in ihren Vorträgen, die sie in einem Projekt ihres Leistungskurses Geschichte ausgearbeitet hatten. Eigentlich sollten ihre Darstellungen anschaulich am ehemaligen Zwangsarbeiterlager bei den Latrinen stattfinden, die die Schüler des Kopernikus-Gymnasiums gefunden und wieder zugänglich gemacht hatten. Die Wanderung dorthin musste allerdings aufgrund der Wettersituation ausfallen und auch die Vorträge wurden somit im Kulturwerk gehalten.

Die drei Schüler beleuchteten in ihren Darstellungen die Situation, warum es überhaupt die Arbeitslager, allein im Kreis Altenkirchen 22 an der Zahl, gab. Berichteten vom Leben der Menschen, denen man die Würde nahm, um die Kriegsmaschinerie am Laufen zu halten. Ebenso über die Barracken und deren unmenschlich-katastrophale Ausstattungen, genauso wie über die spärliche Versorgung im Lager, die Mangelernährung hervorrief, bis hin zur Lagerauflösung am 24. März 1945. Hierbei sei aber auch nicht zu vergessen, dass es trotz der stetig steigenden Aggressivität in der Nationalsozialischen Diktatur und unter drohenden Strafen Menschen mit Zivilcourage in Wissen gab, die zum Beispiel mit Nahrungsmitteln den Zwangsarbeiter halfen.

Heimatforscher Bruno Wagner, der ebenfalls von den Ereignissen und über die Traumatisierung der Kriegsgeneration erzählte, die wie er sagte, „froh waren, dass sie noch lebten“, erinnerte ebenfalls an die Zwangsarbeiter/innen mit den Worten: „Die Menschenwürde wurde ihnen genommen, aber solange man erinnert, geht niemand so ganz“, und wenn man Namen nennt, „gibt man ein Stück weit die Menschenwürde zurück“. Er erläuterte auch, wie Freundschaften im Krieg unter diesen Umständen heraus entstanden und über die Jahre hielten. Nachzulesen unter anderem im Buch „Du bist noch mehr mein Sohn– Geschichte eines Zwangsarbeiters in Deutschland von 1943 -1945“, Autor Octave Fort und herausgegeben von Wagner.

Mut zum Wiedersprechen und Einschreiten
In der abschließenden Gedenkrede zur Bombardierung der Stadt Wissen gedachte Berno Neuhoff gemeinsam mit den Gästen allen Menschen, die an diesem Tag vor 75 Jahren und den letzten Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges ihr Leben verloren hatten. Dabei spannte er den Bogen in die heutige Zeit: „Die Freiheit in der Welt, aber auch bei uns in Deutschland, und auch die Demokratie sind angefochten und bedroht wie selten zuvor seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und zwar von Rechts- und Linksextremismus“. Er wünschte den Schülern und Gästen immer ein Gespür dafür, zu wissen, wo man aufgerufen sei zu widersprechen und einzuschreiten, dazu vor allen Dingen Mut.

Der zweite der Teil der Gedenkfeier zum 75. Jahrestag nach Kriegsende fand um 19 Uhr mit einem ökumenischen Abendgebet mit Dechant Martin Kürten und Pfarrerin Gudrun Weber-Gerhards statt.

Außerdem wird es am Dienstag, 24. März (Tag der Auflösung des Zwangsarbeiterlagers vor 75 Jahren) am Mahnmal „Auf der Bornscheidt“ eine weitere Gedenkfeier für jene Menschen geben, die während des 2. Weltkrieges als Zwangsarbeiter in Wissen unter anderem im Weißblechwalzwerk eingesetzt wurden. (KathaBe)
     
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