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Nachricht vom 27.06.2020 |
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Region |
Neuer Forstamtsleiter: Natur kann sich jetzt neu aufstellen |
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Wald gehört zum Kreis Altenkirchen wie der Förderturm bei Willroth oder der Druidenstein bei Kirchen. Rund 51 Prozent der Fläche, die 642 Quadratkilometer beträgt, sind mit Buchen, Eichen, Fichten & Co. bedeckt. Von den rund 372 Quadratkilometern, auf denen Bäume stehen, betreut das Forstamt in Altenkirchen nunmehr unter neuer Führung rund 230 Quadratkilometer. Der Rest firmiert unter dem Begriff "Privatwald". |
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Altenkirchen. Der Blick auf den Wald im AK-Land, der rund 51 Prozent der gesamten Fläche (642 Quadratkilometer) des Kreises ausmacht, verheißt nichts Gutes: Große gerodete Flächen, die bisweilen der Apokalypse recht nah kommen, prägen inzwischen die Szenerie, die ergänzt wird von noch in Braun sich präsentierenden Arealen, in denen die Milliarden von Borkenkäfern ohne Unterlass ihrem Tagwerk an den Fichten bereits nachgegangen sind. Erst der zweite Blick fällt auf die intakten und grünen Kulturen mit Laubbäumen. "Es ist eine Katastrophe. Der Klimawandel ist bei uns angekommen", sagt Michael Weber als Forstdirektor und Leiter des Forstamtes in Altenkirchen sowie Nachfolger von Franz Kick, der nach 34 Jahren an der Spitze der Behörde in den Ruhestand wechselte. Der "Neue" ist eng mit der Region verbandelt. In Mühlenthal zwischen Wissen und Birken-Honigsessen geboren, reifte schon "mit 15 oder 16 der Wunsch, Förster zu werden, weil dafür mein Herz schlug ". Unter anderem absolvierte er in jungen Jahren Praktika bei der Hatzfeldt-Wildenburg'schen Verwaltung und beim Forstamt in Altenkirchen, so dass sich der Kreis nunmehr schloss.
Studium in Freiburg
Stationen des beruflichen Wirkens führten Weber nach Abschluss des Studiums der Forstwissenschaften in Freiburg wieder gen Heimat - mit einer kleinen Ausnahme: Hachenburg (insgesamt 20 Jahre), Elmstein (Pfälzerwald/5 Jahre) und schließlich Rennerod, wo er von 2012 bis 2020 das Forstamt leitete, waren die Etappen. "Es war die letzte Möglichkeit, im praktischen Betrieb die Funktionalisierung und die teilautonome Gruppenarbeit anzuwenden", erläutert Weber, der schon in Malaysia über diese Teilaspekte referierte. Der 60-Jährige lebt in Norken, ist verwitwet, hat eine Tochter und einen Sohn sowie zwei Hunde. Die Stelle war natürlich ausgeschrieben, "ja, es gab weitere Bewerber, ich habe aber nicht hierfür kämpfen müssen". Er sieht sich selbst als "Prozessoptimierer", sei ein "Kopfmensch" und wohl gestimmt, "wenn die Abläufe gut und rund laufen, die Mitarbeiter den Durchblick im Gesamtprozess haben und zufrieden sind. Was wir einmal angefasst haben, muss danach fertig sein".
Kranke Fichten stehen lassen?
Katastrophen bilden bei Landesforsten Rheinland-Pfalz, wie in der gesamten Republik überhaupt, nicht mehr die Ausnahmen, sondern gehören seit mindestens drei Dekaden zur Alltäglichkeit. Waren es zunächst die zahlreichen Stürme wie Kyrill, Wiebke oder Lothar, die große Schneisen in die Baumbestände schlugen, sind es nunmehr die Winzlinge, deren Ausbreitung niemand zu stoppen vermag. Ob nun alle kranken Bäume wirklich gefällt werden müssen, lässt Weber offen. Er könne sich vorstellen, "abgestorbene Bereiche ganz einfach mal stehen zu lassen, um zu schauen, was passiert". Dazu bedürfe es jedoch einer intensiven Analyse, die zahlreiche Faktoren unterschiedlich gewichten müsse, um zu einer objektiven Bewertung zu kommen. Nicht außer Acht gelassen werden dürfe die Einschätzung eines erhöhten Gefährdungspotenzials für Waldnutzer. Ganz wichtig ist ihm: "Alles muss haarklein dokumentiert werden, damit man später weiß, warum wir das so und das andere so gemacht haben."
Fliegende Armada noch lange präsent
Dass sich aus dieser Vorgehensweise Konflikte entwickeln können, weil die unterschiedlichsten Interessengruppen betroffen sind, ist Weber klar: "Wie sage ich es dem Volke? Ich kann es nicht jedem recht machen." So hat er Pluspunkte aus diesem von der Norm abweichenden Ansatz definiert: Der Boden bleibe bedeckt, die Nährstoffkreisläufe könnten im System gehalten werden. "Zudem entsteht auch Schatten auf der Fläche", fügt Weber an. Mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein kann die Idee dennoch nicht sein. Die fliegende Armada habe noch lange nicht ihr Ende erreicht. Sie werde weitere ganze Forstgenerationen beschäftigen. Das Dilemma wird sich also noch über viele Jahre hinziehen. Eine weitere Komponente beleuchtet die Kehrseite: "Wir haben die Pflicht, Rohstoffe zu produzieren", lenkt er den Blick auf den geschäftlichen Aspekt. Wie das zukünftig gelingen solle, werfe viele Fragezeichen auf. "Mir ist nicht ganz klar, wie wirtschaftliche Nutzer langfristig profitieren können", legt Weber in Anbetracht in den Keller gerutschter Verkaufserlöse dar und nennt eine Zahl: In Rheinland-Pfalz leben rund 50.000 Menschen vom Cluster Holz- und Forstwirtschaft.
Gerodete Flächen ein Schlaraffenland
Sind gerodete Flächen Dornen in den Augen der Betrachter, so sind sie ein Schlaraffenland für Waldtiere wie Rehe und Wildscheine. Das Nahrungsangebot wird deutlich größer ("wir wissen ja nicht, was auf eine Kahlfläche alles einfliegt"), die eh schon ausgeprägte Schwarzkittelpopulation steigt weiter an. Die Natur habe eine "wahnsinnige Gelegenheit, sich neu aufzustellen. Es ist alles Zufall. Ob das einem gefällt, steht auf einem anderen Blatt", erklärt Weber. Darüber hinaus wirkten sich blanke auf gesunde Zonen mit Laubbäumen ebenfalls negativ aus: Der Wind habe eine bessere Angriffsfläche, weil das Stützgerüst fehle. Zurück zur großen Schar der Wildschweine. Noch ist die Bundesrepublik frei von der hoch-infektiösen Schweinepest, die auf polnischem Gebiet bis nahe an die Grenze zum westlichen Nachbarn herangerückt ist. "Sie ist ein Topthema, wir wollen sie nicht haben", wird Weber deutlich, der als passionierter Jäger (der Jagdschein ist essentielle Voraussetzung für den Beruf des Försters) um die Folgen weiß, sollte das Virus wirklich von der freien Natur auf Hausschweinbestände überspringen. Deswegen appelliert er mit Nachdruck, Keiler & Konsorten noch kräftiger auf das Fell zu rücken.
Forstamt ist auch Berater
Nicht nur die enge Verzahnung zwischen Forst und Jagd ist für Weber sehr wichtig, die Zusammenarbeit mit den Privatwaldbesitzern und den vielen Haubergsgenossenschaften, Waldinteressenten und dem Waldbauverein im Kreis steht ebenfalls weit oben auf der Agenda, zumal das Forstamt auch in beratender Funktion unterwegs sein muss. Diesen Part leisten gleichfalls die staatlichen Revierförster in den zehn Revieren zwischen Willroth und Niederschelderhütte. "Wir sitzen alle in einem Boot", lautet für Weber die Ausgangslage. Dass es hin und wieder zu unterschiedlichen Auffassungen kommt, liege auf der Hand. "Ich bevorzuge Überzeugungsarbeit und bringe gute Argumente vor. Ich möchte Transparenz zeigen." Deswegen liegt ihm so gut wie immer fern, bei Konflikten das Gesetz mit all seinen Paragrafen buchstabengetreu als Grundlage für eine Entscheidung zu bemühen. (hak)
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